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 Moderiert von: Irdorath, statixx, Teh Wizard of Aiz


 Thema: Geschichte & Politik XI ( événement, moyenne durée, longue durée )
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[Amateur]Cain

Amateur Cain
...
Ich finde die Japan-Diskussion hier sehr gut, wollte ich mal anmerken, leider hab ich momentan keine Zeit für was Substanzielles. Vielleicht schaff ich das dies WE.
15.08.2015 7:38:50  Zum letzten Beitrag
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Jolly Roger

AUP Jolly Roger 26.07.2021
 
Zitat von Skgoa

Dass gewisse Stars-n-Stripes-schwingende Jingoisten heutzutage die Geschichte ziemlich verklärt betrachten, ist schade und behindert die Aufarbeitung der Geschehnisse. Es dauert wohl noch eine Weile, bis alliierte Kriegsverbrechen als solche thematisiert werden können.


Die Japaner sind aber bei der Aufarbeitung ihrer Verantwortung im 2. Weltkrieg auch nicht zimperlich.
15.08.2015 9:07:08  Zum letzten Beitrag
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Skgoa

AUP Skgoa 10.11.2011
Da hast du recht. Ich habe aber wenig Kontakt mit Japanern und Japaner haben auch nicht die Stadt in der ich wohne in Schutt und Asche gelegt.


e/ Hier gibt es ne Menge Informationen zum Manhattan-Projekt: http://blog.nuclearsecrecy.com/ Sogar von einem echten Historiker! Augenzwinkern
[Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert; zum letzten Mal von Skgoa am 15.08.2015 10:59]
15.08.2015 10:49:13  Zum letzten Beitrag
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Wraith of Seth

wraith_of_seth
Als (ehemaliger?) Schüler taditioneller, japanischer Kampfkünste (prä-Meiji) kann ich sagen, dass die Leute, die da führend rumturnen politisch mindestens so widerlich sind wie die Teaparty, nachdem man deutschen Geschichtsrevisionismus dazugepackt hat.

Mit ein Grund, warum ich mich schwer tue, damit wieder anzufangen - die daraus erwachsenden Ideen zu Loyalität (zur Schule, zum Lehrer, zu...) greifen durchaus, wenn man Jahre mit Spaß und Intensität daran trainiert und damit zwangsweise eng mit den Sensei zusammenarbeiten muss.

Einer unserer (ich spreche immer noch von "unseren" Schulen) Sensei ist Künstler und spendet seine Kunst dem Yasukuni-Schrein.



Nur, egal wie unreflektiert die USA manchmal mit ihrer Sicht auf die Atombombenabwürfe daherzukommen scheint, ist es soweit ich sehen kann, weit weg von Japans durchwachsener Vergangenheitsbewältigung, bei der sogar Italien und Österreich mustergültig mit Deutschland mithalten. Man muss sich nur ansehen, wie das noch immer durch Schulbücher geistert.

Life's a piece of shit/ When you look at it/ Life's a laugh and death's a joke, it's true.
16.08.2015 8:26:32  Zum letzten Beitrag
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Shooter

shooter
...
Naja, was erwartet man von einer nationalistischen Regierung? Waren ja alle völlig erstaunt, dass wenigstens der Kaiser, nach dem desolaten Autritt von Abe, mal Reue gezeigt hat.

Abe hat ja auch wieder nur um den Brei rumgedrugst.
16.08.2015 12:15:36  Zum letzten Beitrag
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Randbauer

AUP Randbauer 08.07.2015
 
Zitat von Shooter

Naja, was erwartet man von einer nationalistischen Regierung? Waren ja alle völlig erstaunt, dass wenigstens der Kaiser, nach dem desolaten Autritt von Abe, mal Reue gezeigt hat.

Abe hat ja auch wieder nur um den Brei rumgedrugst.



Was findest du desolat an dem Auftritt oder der Rede?

Entschuldigung – aber das Misstrauen bleibt (faz)

'Japan has repeatedly expressed feelings of deep remorse and heartfelt apology for its actions during the war ... we have consistently devoted ourselves to the peace and prosperity of the region since the end of the war,'

Ich finde das klingt recht gut - China und die beiden Koreas jammern also nur weil er sich persönlich nicht entschuldigt hat?
[Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert; zum letzten Mal von Randbauer am 16.08.2015 12:40]
16.08.2015 12:33:34  Zum letzten Beitrag
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Wraith of Seth

wraith_of_seth
Die jammern vor allem dann, wenn die Heiopeis mal wieder an den Yasukuni-Schrein pilgern oder ein neues Schulbuch immer noch Opferzahlen und Umgang mit denen runterspielt.

Und bei vielen der Aussagen und Handlungen, die Abe und Co gerne mal außerhalb solcher Anlässe ablassen.

Oder glaubst du, die deutsche Position wären sonderlich glaubhaft, wenn Gauck im Mai von Reue redet und dann im August zu Ehren von Rudolf Heß auf die Straße geht?

I am over 18 and clicking a button.
16.08.2015 13:19:39  Zum letzten Beitrag
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Penismax

AUP Penismax 10.08.2017
Aber liegt das nicht an der Kultur? Ich weiß es nicht genau, aber ein Bekannter war kürzlich in Japan und hat bestimmt 200 Fotos von Militärschreinen. Unter anderem auch für Schlachtschiffe etc.

Also klar, macht es nicht besser. Aber das kommt einem dann schon etwas unwirklich vor. (disclaimer :wie gesagt, ich hab nur die Bilder gesehen)
16.08.2015 14:00:52  Zum letzten Beitrag
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Randbauer

AUP Randbauer 08.07.2015
 
Zitat von Wraith of Seth

Die jammern vor allem dann, wenn die Heiopeis mal wieder an den Yasukuni-Schrein pilgern oder ein neues Schulbuch immer noch Opferzahlen und Umgang mit denen runterspielt.

Und bei vielen der Aussagen und Handlungen, die Abe und Co gerne mal außerhalb solcher Anlässe ablassen.

Oder glaubst du, die deutsche Position wären sonderlich glaubhaft, wenn Gauck im Mai von Reue redet und dann im August zu Ehren von Rudolf Heß auf die Straße geht?

I am over 18 and clicking a button.



Jetzt in der konkreten Situation wurde gejammert weil Abe sich nicht persönlich entschuldigt hat. Damit hat er einen Bruch der bisherigen Politik gemacht - und das fanden Korea und China uncool. Ich finde diesen Schritt allerdings nicht verkehrt. Abe hat damit ja keinen Schlussstrich unter der Verantwortung Japans gezogen oder das auch nur im entferntesten relativiert oder geleugnet.

Das Auftritte an Schreinen/Gedenkstätten in denen verurteilte Kriegsverbrecher liegen im Ausland (und sicherlich auch im Inland) auf Kritik stoßen sehe ich ja völlig ein und bin da völlig bei euch! Gleichzeitig weiß ich aber schlicht zu wenig um die kulturelle Bedeutung dieses Schreins der ja sicherlich eine längere Geschichte hat als die Toten des zweiten Weltkriegs und wohl kaum nur der Verehrung der Kriegsverbrecher dient.
16.08.2015 14:01:01  Zum letzten Beitrag
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Wraith of Seth

wraith_of_seth
Der hat schon einiges an Bedeutung - ist aber selbst in Japan nicht unumstritten. Dazu kommt, dass selbst die Tenno, seit sie es wissen, dort nicht mehr hingehen. Was mich wundert, ist, dass er immer noch auf der List der Chokusaisha ist, wenn der Tenno da nicht mehr hintersteht.

Der Tenno ist prinzipiell immer noch wichtigste Person im Shinto, seit dem Ende des zweiten Weltkriegs ist da die Organisation allerdings etwas ambivalenter und undurchsichtiger geworden, weil die Trennung von Staat und Shinto (iirc) Teil der Kapitulationsbedingungen/Nachkriegsverträge waren.

Setz dich an des Tisches Mitte, nimm zwei Bücher, schreib das Dritte!
16.08.2015 14:06:50  Zum letzten Beitrag
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RushHour

rushhour
Zur japanischen Geschichtsaufarbeitung: Die gibt es leider nicht. Fast nicht. Zumindest nicht in der offiziellen Politik, bei Betroffenenvereinigungen oder Friedensaktivisten sieht das durchaus anders aus.

In Europa gab es alliierte Verwaltungen, die a) die Erinnerungspolitik erzwungen und b) die Glorifizierung der Nazitaten wenigstens prinzipiell verboten haben. Das wäre so als hätte man in Japan das Militär aufgelöst wie hier die NSDAP und dem Kaiser einen Prozess wie Nürnberg angehängt und China und Korea Reparationszahlungen geleistet. All das gab es aber nicht. Die Sieger haben sich dort weit weniger um politische Re-Education und Meinungsbildung gekümmert als in Europa. Und es gab AFAIK (aber da wissen andere hier evtl. mehr?) auch keine solche politische Liberalisierung der Öffentlichkeit mit Neubewertung der eigenen Geschichte wie in Europa in den 60ern, z.B. mit Willy Brandt. Ich glaube ein aus Japan wegen seiner pazifistischen oder antkaiserlich-demokratischen Gesinnung geflohener Politiker oder jemand der sagt "Jede Besetzung Chinas und Koreas war ein imperialistisches Verbrechen, von Anfang an" könnte vielerorts bis heute nicht mal Dorfbürgermeister werden.

In der Tat gibt es seit etlichen Jahren (m.E. meist zähneknirschend) Lippenbekenntnisse gegenüber der internationalen Öffentlichkeit, die aber von denselben Personen dann oft hintertriebn werden, indem sie im Land gegenüber der eigenen Öffentlichkeit ganz entgegengesetzte Signale senden. Dazu spielt da - Atombomben - so ein Opfermythos rein, da wird was umgedreht, ähnlich wie in Österreich: Die behaupten ja auch gerne, ihr Staat sei "das erste Opfer des NS" gewesen. Nun ja, das kann man so sehen, aber die ganze Wahrheit ist das nun wirklich nicht, sondern nur der bequeme und wohlfeile Teil.

Ich sehe in Japan einen öffentlichen Bewußtseinstand wie in D. der 50er Jahre. Aber da mögen Japan-Kenner mich korrigieren, ish kenne nur einiges aus der Fachdebatte der (NS-)Erinnerungskultur, und das ist durchweg zum Kopfschütteln.
16.08.2015 15:26:17  Zum letzten Beitrag
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Der Schnüffler

AUP Der Schnüffler 03.04.2016
 
Zitat von RushHour

In Europa gab es alliierte Verwaltungen, die a) die Erinnerungspolitik erzwungen und b) die Glorifizierung der Nazitaten wenigstens prinzipiell verboten haben. Das wäre so als hätte man in Japan das Militär aufgelöst wie hier die NSDAP und dem Kaiser einen Prozess wie Nürnberg angehängt und China und Korea Reparationszahlungen geleistet. All das gab es aber nicht.



Kannst Du (oder irgendjemand anders) erklären, weshalb das so war?
16.08.2015 15:32:11  Zum letzten Beitrag
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RushHour

rushhour
Nee, nicht fundiert. Nur mutmaßen. In Europa waren wohl der Holocaust und die gleichermaßen vorhandene Ablehnung des NS durch Demokratieen und Sowjetstaat sowas wie "begünstigende" Faktoren; zudem ware das ja alles Kulturen, die sich irgendwie ja auf den europäischen Wertekanon von 1789ff. bezogen hatten: USA und GB und F sowieso, D früher auch, und die SU als "Erbe" der radikalen Fraktion der Aufklärung auch. Da lag das nahe, auf die Faktoren öffentliche Meinung und Diskurs zu gehen.

Ich gaube in Asien hatte einfach niemand einen Plan dafür oder einen Zugang dazu: Es gab keine demokratische oder linke japanische Emigration, nicht viele japanisch-sprechende Laute in SU oder USA, es war eine den Siegern ganz fremde politische und soziale Kultur, ich fürchte die Idee, da massiv einzuwirken erschien allen als so weit hergeholt, dass man es gar nicht erst probiert, sondern sich auf Institutionen und Gesetze beschränkt hat.

Zudem waren der Tenno und seine Armee ja nun nicht gewählt worden, anders als Hitler: Dass der in D. halbwegs demokratisch an die Macht gekommen war war noch ein Impuls zur Reeducation. In Japan lag da näher einfach den Kaiser aus der Politik rauszuwerfen und gut ist. Warum sie das Kaisertum aber nicht einfach ganz zerschlagen haben (Wozu hat man eine bedingungslose Kapitulation denn?) verstehe ich auch nicht.
16.08.2015 15:43:04  Zum letzten Beitrag
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[Amateur]Cain

Amateur Cain
Ich bin mal an mein Buchregal herangetreten, um auch mal was zu Japan beizutragen.

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„The literature on the Bomb dwarfs most other World War II debates; only the discussion of the Holocaust in Europe surpasses it.” (Lynn, 257)

Grundsätzlich gilt, dass man erstmal klären muss, worüber man redet. Man ist leicht versucht, die Handlungen von Zeitgenossen mit dem Wissen der Nachgeborenen zu beurteilen, aber wir alle wissen, dass das unfair ist. Wir müssen also immer im Kopf haben, was die Zeitgenossen, deren Handlungen wir betrachten und bewerten, zu einem gegebenen Zeitpunkt wissen konnten. Diese Sortierung macht viele der oben genannten Regalkilometer obsolet, weil seit den 1990er Jahren viele Quellen freigegeben (und mittlerweile bearbeitet) sind, die in den Jahrzehnten vorher nicht zur Verfügung standen.

Grundsätzlich ist es nämlich aus Sicht der Zeitgenossen keineswegs so gewesen, dass Japan den Krieg „so gut wie verloren“ hatte – nicht aus Sicht der japanischen Entscheider zumindest, und damit auch nicht aus Sicht der amerikanischen Entscheider. Denn durch Magic waren die Amerikaner stets bestens über die Entscheidungsprozesse im japanischen de-facto-Kabinett der „Großen Sechs“ informiert und kannten auch alle diplomatischen Vorgänge, die von ihm ausgingen und es erreichten.

Die Großen Sechs erwarteten, dass der Krieg noch mindestens ein, vermutlich sogar zwei bis drei Jahre weitergehen würde – ausgehend von der Prämisse, dass man einfach immer weiterkämpfen würde. Dies war zum einen einer kulturellen Prädisposition geschuldet, die eine Aufgabe nur schwer vorstellbar macht, und solche kulturellen Aspekte sind mächtige Faktoren in Entscheidungsprozessen; besonders in homogenen Gruppen wie den Großen Sechs. Die Planung hatte aber auch eine pragmatische und logische Seite: Die Japaner erwarteten, dass ein sich stetig steigernder body count die amerikanische Nation überfordern würde und dann ein annehmbarer Frieden verhandelbar sein würde. Diese Überlegung basierte auf einer Mischung aus rassistischer Herablassung für die „weichen“ Amerikaner und einer überraschend treffsicheren Einschätzung der Mechanismen der amerikanischen Parteiendemokratie: Die Überlegung, die USA durch body bags zum Frieden zu zwingen, hat in Vietnam funktioniert.

Aus Sicht der Amerikaner gab es exakt drei Optionen, den Krieg mit diesem Inselreich zu beenden: Invasion, Blockade oder Bombardierung. Und die amerikanischen Entscheider waren (wie auch die Großen Sechs einige Zeit später) trotz einheitlicher Datenbasis alles andere als einheitlicher Meinung über die richtige Vorgehensweise. General Marshall von der Army wollte eine langanhaltende Auseinandersetzung prinzipiell verhindern, indem er mit aller Macht einen Sieg am Boden erzwingen wollte; der Navy-Chef King, folgte grob der Idee der Japaner, dass nicht Zeit, sondern Verluste das potentiell entscheidendere Problem seien, so dass er auf eine Mischung aus Bombardierung und Blockade setzte. Der letzte Punkt ist nicht zu unterschätzen, weil die spezifische Ökonomie Japans zu diesem Zeitpunkt massiv auf Importe per See angewiesen war – der Punkt wird bei der Bewertung des amerikanischen Vorgehens noch einmal wichtig.

Auch erschien eine Eroberung der Kerninseln alptraumartig: Der Krieg im Pazifik wurde mit einer Intensität und einem rassistischen Hass geführt, der den meisten hier völlig unbekannt sein dürfte. „During the Pacific War, Americans and Japanese regarded each other’s values and behaviors as incomprehensible, even as less than human.“ (Lynn, 221) Keine japanische Einheit hat sich je ergeben; die Gefangenenzahlen waren auf beiden Seiten lächerlich gering; die Todesquote enorm hoch – bei den Japanern durch ihr banalisiertes Bushido teilweise bei über 98%. Eine physische Niederlage wurde aus japanischer Sicht durch Haltung in einen moralischen Sieg verwandelt. Besonders Okinawa war ein Alptraum für die amerikanischen Entscheider, ja, aber der ganze Krieg war es wegen dieser kulturellen Dissonanz. Wer dazu mehr wissen will, sollte das Standardwerk „War without mercy“ lesen. Es gab keinen Grund für die Amerikaner anzunehmen, dass die strategischen Entscheidungen und die konkreten Kämpfe um die Hauptinseln nicht von diesen Prinzipien geprägt sein würden.

Die Japaner haben in dieser Lage jedenfalls mit einer Invasion gerechnet und Gegenplanungen angestellt, die faszinierend präzise waren. Sie sahen die Kyushu-Landung präzise voraus und planten ihre Kräfte so, dass sie diese „Operation Olympic“ perfekt aufgefangen hätten: „;A most interesting post-war analysis oft he planned invasion by a British team looked at records and interviewed officers from both sides points to an enormous battle […]”. (Weinberg, 883). Die Japaner hätten nicht nur konkret die Kyushu-Operation perfekt gekontert, danach wäre es noch schlimmer geworden: Für Ketsu Go wurde die Stärke der Heimatarmee auf 2,9 Millionen Soldaten erhöht worden, zudem wären alle Männer zwischen 15 und 60 UND alle Frauen zwischen 17-40 mobilisiert worden. Sowohl die Abwehr der Invasion (lies übrigens: wieder ins Meer treiben nach Anlandung), als auch der Kampf auf den Inseln wäre massiv von tokko geprägt gewesen, Selbstmordangriffen in allen Formen und Dimensionen. All diese Planungen hatten nichts mit den völlig phantastischen Werwolf-Planungen hier gemeinsam: Der Pazifikkrieg hatte bewiesen, dass all dies stattgefunden hätte. Übrigens waren die japanischen Entscheider auch hier kühl kalkulierend: Das Zurückschlagen der Invasion sollte nicht zu einem absurden „Endsieg“ führen, sondern die diplomatischen Kanäle für einen Verhandlungsfrieden wieder öffnen – keine unrealistische Idee.

Zwar gab es übrigens zu diesem Zeitpunkt immer wieder Versuche der Japaner, Friedensverhandlungen über geheime Kanäle anzustoßen, aber die Amerikaner wussten durch Magic, dass dies Initiativen einzelner Diplomaten waren, die keine Chance auf Ratifizierung in Tokio hatten. Die Mär von den ignorierten Friedensfühlern ist also eine solche.

Die Amerikaner lasen als dies per Magic mit – und binnen kürzester Zeit war Olympic vom Tisch. Denn die projizierten Verlusterwartungen eskalierten nun radikal und eine Landung erschien nun immer suizidaler: Die Amerikaner glaubten ebenso wie die Japaner wirklich, dass eine Invasion in Japan praktisch nicht leistbar sei. (Soviel zur sicheren Annahme, der Krieg sei „schon gewonnen“ gewesen.) Hier geht es übrigens auch nicht nur um amerikanische Leben (und politische Konsequenzen bei deren Verlust), sondern auch im britische und französische Soldaten, denn diese waren in großer Zahl fest eingeplant bei einer Invasion in Japan. Auch der Pazifikkrieg war ein Bündniskrieg.

Übrigens fällt in dieser Zeit auch hektische Arbeit der Amerikaner, Stalin endlich dazu zu bringen, in der Mandschurei eine neue Front zu eröffnen. Die Amerikaner waren keineswegs von seinem Eingreifen überrascht, sie wollten es: Die Entlastung an der Festlandfront erschien essentiell für eine erfolgreiche Operation irgendeiner Art, besonders aber für eine Inavasion: „General MacArthur repeatedly stressed to Washington the essential character of a major Red Army operation in Manchuria.“ (Weinberg, 872.) Das ist genau der Grund, warum die Japaner panisch versucht haben, den Neutralitätsvertrag mit der UdSSR aufrechtzuerhalten – aber der lief fristgerecht am 5. April ab. Eine Überraschung war Stalins Angriff also auch für die Japaner nicht; sie rechneten damit.

Die Atombombe war hier nun ein Mittel für die Option „Bombardierung und Blockade“, die zu dieser Zeit zusammen gedacht wurde. Es ist wichtig sich klarzumachen, dass der Bombenkrieg ohnehin schon eine Spirale wiederholter moralischer Zusammenbrüche bedeutet hatte und sich die Zeitgenossen dessen auch bewusst waren. Wie ein Ingenieur des Bombenkrieges so treffend sagte: „Since the beginning of the war I had retreated step by step from one moral position to another, until at the end I had no moral position at all.” (Lynn, 260). Die tagelangen Feuersturmangriffe aud Hamburg und Tokio waren bereits die Hölle auf Erden; verglichen mit ihnen schien die Atombombe zynischerweise ein gnadenvoller, weil schneller Tod. Sowohl Truman als auch vor ihm Roosevelt zeigen ihn ihren Aufzeichnungen immer wieder die Annahme, dass sie Nuklearwaffen als „essentially very much larger explosives“ dargestellt bekommen haben und als solche verstanden haben.

In dieser Lage genehmigten die Briten und Amerikaner den Abwurf. Huh? Briten? In der Tat, die Atomwaffen waren eine britisch-amerikanische Erfindung, und alle Einsätze mussten kooperativ beschlossen werden. Hiroshima und Nagasaki waren auch britische Entscheidungen: „Even before the American decision, the British government had formally given ist approval for the new weapon’s use.“ (Weinberg, 888)

Truman hat dann nicht nur einen oder zwei Abwürfe freigegeben: Er hat eine atomare Offensive genehmigt, die bis zur Kapitulation Japans fortgesetzt werden sollte. Wenn nach Nagasaki nicht kapituliert worden wäre, wäre binnen kurzer Zeit die dritte fertige Bombe eingesetzt worden, und das ganze wäre so weitergegangen, bis Japan eingeknickt wäre, „additional bombs will be delivered on the above targets [Hiroshima, Kokura, Niigata, Nagasaki] as soon as made ready“ (Lynn, 276). Das ist eine etwas andere Dimension als die Frage, ob die zweite Bombe wirklich nötig war.

Und das war sie. Hiroshima wurde als Ziel ausgesucht, weil es die größte japanische Stadt war, die bis dahin noch nicht „firebombed“ worden war. Aber der Abwurf alleine hat die japanischen Entscheider nicht ausreichend beeindruckt, weil diese Fachwissen hatten: Japan hatte keine Nuklearwaffen, aber sie wussten, wie schwer ihr Bau war – und die Amerikaner wussten, dass die Japaner das wussten. Daher mussten sie den Eindruck erwecken, bereits einen Vorrat zu haben und diesen nach Belieben nutzen zu können. Das zweite Ziel sollte eigentlich erst einige Tage später bombardiert werden, aber das Wetter zwang dann zu einer früheren Bombardierung, weil es sonst sehr lange hätte dauern können und der Effekt dahin gewesen wäre. (Nebeneffekt: „Hiroshima electrefied Stalin into unleashing his Asian offensive a week early.“ (Frank, 234) So rum, nicht anders rum.)

Es hat geklappt: Die erst Bombe wurde von den japanischen Entscheidern wegrationalisiert, beinahe ignoriert, die zweite nicht mehr. Erst unter der kombinierten Katastrophe (scheinbar) unbegrenzter Nuklearwaffen UND des sowjetischen Angriffes kommen die Großen Sechs soweit, dass sie … ein Patt erzeugen. Drei von Ihnen wollten nun die Bedingungen der Amerikaner annehmen, drei von ihnen IMMER noch nicht. Der Tenno selbst musste das Patt beenden und entscheiden.

Und selbst JETZT war die Sache nicht erledigt: Es gab einen Putschversuch von Militärs, der ums Haar erfolgreich gewesen wäre und den Krieg erneut auf unbestimmte Zeit verlängert hätte. Und als auf den Heimatinseln alles geklärt war, haben die Kommandeure auf dem Festland sich IMMER noch geweigert, ihr Kolonialreich aufzugeben und wollten weiterkämpfen. „The Emperor issued a second Rescript on August 17 to bring these commanders to heel – with which they complied, reluctantly.” (Frank, 238)

Ironischerweise haben die Atombomben vermutlich Millionen Tote verhindert, und hier schließt sich der Kreis zu oben. Die Amerikaner hatten den Schiffsraum der Japaner massiv reduziert, und das nächste Ziel des konventionellen Bombenkrieges wären die Bahnverbindungen gewesen. Es steht anzunehmen, dass die Mühsal und lange Dauer eines konventionellen Bombenkrieges in Kombination mit dem unfassbaren Durchhaltewillen von Entscheidern und Bürgern in Japan zu Millionen Hungertoten geführt hätte.

Belegstellen:

Frank, Richard B.: Ending the Pacific War: “No alternative to annihilation” in: Marston, Daniel (Hrsg.): The Pacific War Companion. From Pearl Harbor to Hiroshima, Oxford 2005.

Lynn, John A.: Battle: A History of Combat and Culture. From Ancient Greece to Modern America, Cambridge (MA) 2003.

Weinberg, Gerhard L.: A World at Arms, A Global History of World War II, Cambridge 1994.
[Dieser Beitrag wurde 3 mal editiert; zum letzten Mal von [Amateur]Cain am 16.08.2015 21:02]
16.08.2015 20:54:35  Zum letzten Beitrag
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Der Schnüffler

AUP Der Schnüffler 03.04.2016
Ok, das muss ich mir für die Nachtschicht ausdrucken Breites Grinsen Bin gespannt
16.08.2015 21:01:39  Zum letzten Beitrag
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M@buse

AUP M@buse 22.12.2015
...
danke cain <3

das dürfte meine frage beantwortet haben.
16.08.2015 21:16:54  Zum letzten Beitrag
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[Amateur]Cain

Amateur Cain
Es gab ne Frage? Breites Grinsen
16.08.2015 21:20:52  Zum letzten Beitrag
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M@buse

AUP M@buse 22.12.2015
böse gucken
 
Zitat von M@buse

wie umstritten ist eigentlich die behauptung, dass die atombenabwürfe japan damals zur kapitulation gebracht hätten?

16.08.2015 21:25:30  Zum letzten Beitrag
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Penismax

AUP Penismax 10.08.2017
 
Zitat von [Amateur]Cain

[...]


Bedankt. Jetzt hab ich wieder nen Bücherkaufrausch vor mir

(natürlich Ist das danke trotzdem ernst gemeint. Sehr gut und ausführlich.)
16.08.2015 21:47:03  Zum letzten Beitrag
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Skgoa

AUP Skgoa 10.11.2011
Was hält man hier von Hans von Luck?
16.08.2015 22:19:58  Zum letzten Beitrag
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Dummvogel

AUP Dummvogel 26.06.2019
 
Zitat von M@buse

 
Zitat von M@buse

wie umstritten ist eigentlich die behauptung, dass die atombenabwürfe japan damals zur kapitulation gebracht hätten?





Ich hab die letzten Tage ein paar Beiträge auf DLF gehört, wo der Eindruck erweckt wurde unter Historikern wären die Abwürfe mittlerweile als sinnlos anerkannt. Cain widerspricht dem jetzt ziemlich deutlich. Was da los?
16.08.2015 23:52:41  Zum letzten Beitrag
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Randbauer

AUP Randbauer 08.07.2015
 
Zitat von Dummvogel

 
Zitat von M@buse

 
Zitat von M@buse

wie umstritten ist eigentlich die behauptung, dass die atombenabwürfe japan damals zur kapitulation gebracht hätten?





Ich hab die letzten Tage ein paar Beiträge auf DLF gehört, wo der Eindruck erweckt wurde unter Historikern wären die Abwürfe mittlerweile als sinnlos anerkannt. Cain widerspricht dem jetzt ziemlich deutlich. Was da los?



Cains Quellen sind ziemlich alt.

e: Bevor das falsch rüber kommt: Es kann ja sein, dass sich in den letzten Jahren was geändert hat in der wissenschaftlichen Deutung, und da sind Bücher aus 1994 und erste hälfte 2000 halt dann schon..."alt".
[Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert; zum letzten Mal von Randbauer am 16.08.2015 23:59]
16.08.2015 23:56:13  Zum letzten Beitrag
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M@buse

AUP M@buse 22.12.2015
in den artikeln die ich in letzter zeit gelesen habe, wurde immer wieder betont, dass die kriegserklärung der russen der entscheidende faktor gewesen ist und die japaner prinzipiell zu einer kapitulation bereit gewesen wären, wenn die usa explizit zugesichert hätten, das der tenno nicht angerührt wird.

cains ausführungen sind da aber deutlich stichhaltiger und plausibler. einigen autoren mag man vielleicht auch einen gewissen antiamerikanismus unterstellen können.
17.08.2015 0:05:21  Zum letzten Beitrag
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catch fire

AUP catch fire 17.12.2013
 
Zitat von Randbauer

e: Bevor das falsch rüber kommt: Es kann ja sein, dass sich in den letzten Jahren was geändert hat in der wissenschaftlichen Deutung, und da sind Bücher aus 1994 und erste hälfte 2000 halt dann schon..."alt".


Ist das so in geschichtlichen Kreisen? Bei lebenswissenschaflichen Fächern trifft das ja definitiv zu, aber bei Geschichte hätte ich den Publikationen eine höhere Halbwertszeit eingeräumt.
17.08.2015 0:14:51  Zum letzten Beitrag
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Penismax

AUP Penismax 10.08.2017
 
Zitat von Randbauer

 
Zitat von Dummvogel

 
Zitat von M@buse

 
Zitat von M@buse

wie umstritten ist eigentlich die behauptung, dass die atombenabwürfe japan damals zur kapitulation gebracht hätten?





Ich hab die letzten Tage ein paar Beiträge auf DLF gehört, wo der Eindruck erweckt wurde unter Historikern wären die Abwürfe mittlerweile als sinnlos anerkannt. Cain widerspricht dem jetzt ziemlich deutlich. Was da los?



Cains Quellen sind ziemlich alt.

e: Bevor das falsch rüber kommt: Es kann ja sein, dass sich in den letzten Jahren was geändert hat in der wissenschaftlichen Deutung, und da sind Bücher aus 1994 und erste hälfte 2000 halt dann schon..."alt".



Afaik hat Cain ja auch nochmal deutlich darauf hingewiesen, dass man das aus zwei Sichten sieht. Aus der heutigen Sicht mit entsprechenden Erkenntnissen und eben aus der Sicht der Zeitgenossen, die darauf keinen Zugriff hatten und entsprechend ihrer Informationen gehandelt haben.
17.08.2015 0:20:24  Zum letzten Beitrag
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Randbauer

AUP Randbauer 08.07.2015
 
Zitat von catch fire

 
Zitat von Randbauer

e: Bevor das falsch rüber kommt: Es kann ja sein, dass sich in den letzten Jahren was geändert hat in der wissenschaftlichen Deutung, und da sind Bücher aus 1994 und erste hälfte 2000 halt dann schon..."alt".


Ist das so in geschichtlichen Kreisen? Bei lebenswissenschaflichen Fächern trifft das ja definitiv zu, aber bei Geschichte hätte ich den Publikationen eine höhere Halbwertszeit eingeräumt.



Keine Ahnung, ich denke es kommt aufs jeweilige Thema an.
Ich hatte das jetzt nur vermutet weil die Diskussion für mich ziemlich neu war und ich es in den Jahren zuvor nicht mitbekommen habe, dass die tagesschau so deutlich Position bezieht. Aber wenn auch laut dem Blog den RH verlinkt hat es in Deutschland eh üblicher Konsens ist das die Bomben überflüssig sind, dann erklärt es zumindest warum ich nie die Diskussion mitbekommen habe - es gab schlicht keine.
Die Quellen die Wikipedia als Gegenseite angibt sind allerdings auch alle aus den Jahren Ende 90er bis Mitte 2000, von daher war ich mit den "alten Büchern" wohl einfach vorschnell.

Atombombe auf Hiroshima - Der reuelose Massenmörder (natürlich Spon)
Vielleicht besser das ich nichts mitbekommen habe, bei so Überschriften kriegt man ja Bluthochdruck.


 
Zitat von Penismax

Afaik hat Cain ja auch nochmal deutlich darauf hingewiesen, dass man das aus zwei Sichten sieht. Aus der heutigen Sicht mit entsprechenden Erkenntnissen und eben aus der Sicht der Zeitgenossen, die darauf keinen Zugriff hatten und entsprechend ihrer Informationen gehandelt haben.



Ich denke das beide Seiten in der Lage sein sollten diesen Perspektivwechsel hinzubekommen, sonst könnte man eine Seite ja schnell als unvernünftig abtun.
[Dieser Beitrag wurde 2 mal editiert; zum letzten Mal von Randbauer am 17.08.2015 0:34]
17.08.2015 0:30:10  Zum letzten Beitrag
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[Amateur]Cain

Amateur Cain
Klar kann es immer sein, dass neue Dokumente einen Sachverhalt deutlich anders dastehen lassen, als dies vorher der Fall war - und zwar eben auch und gerade mit Konsequenzen in der Bewertung der Frage, was die Zeitgenossen gewusst haben und als Grundlage ihres Handelns genommen haben. So was gibt es ständig und das ist dann auch völlig okay so, so sieht Fortschritt in der Geschichtswissenschaft aus.

Das sind aber eher glaziale Prozesse - langsames Kleinklein, dass in einem Wechselspiel aus Aktenforschung, Publikation, Diskussion und neuer Aktenforschung Jahre und Jahrzehnte dauert. Dass es den großen Aktenfund gibt, der eine Ansicht erschüttert und nach dem man die Geschichtsbücher umschreiben muss, das kommt praktisch nie vor. Das ist genau der Grund, warum man zu jedem Thema, das man in die Hand nimmt, die Literatur des letzten Vierteljahrhundert ernstnehmen muss. Aussagen mit weniger als 5 Jahren Standzeit haben eher das Problem, dass sie NOCH nicht multilateral belegt sind und daher noch anfällig für Falsifikation sind.

Trotzdem wird das in Radios, Fernsehen und Zeitungen immer wieder suggeriert, weil es ordentlich Quote/Klicks/Auflage bringt, Da muss dann zusammengedampft, verkürzt und auf die Spitze getrieben werden, damit es möglichst neu und überraschend wirkt. Ich kenne das von meinen eigenen Themen sehr gut: Wenn man in einem Thema wirklich tief und differenziert drin steckt, kriegt man regelmäßig stechende Kopfschmerzen, wenn man die Veröffentlichungen auf diesen Kanälen dazu sieht.

Wenn ich beispielsweise die DLF-Beiträge überfliege, finde ich vor allem immer wieder (dreimal? viermal?) der ARD-"Kollege" Klaus Scherer, der ein Buch zu verkaufen hat, Der muss erstens seinerseits zuspitzen, um das Buch zu platzieren, zweitens noch mal, weil er grad seine dreieinhalb Minuten im Radio hat. Aber er selbst ist kein Historiker; sein Buch basiert nicht auf neuen Quellen, sondern auf "Gesprächen mit Historikern " - eine seltsame Arbeitsweise, denn das Medium der Historiker sind Bücher und Fachaufsätze, denn komplexe Probleme verlangen komplexe und quellenfundierte Antworten, die auch gedruckt belegbar sein müssen. Wenn Monokausalität "gefunden" wird, ist immer höchstes Misstrauen angesagt.

Wenn ich dann in Scherers (allgemein recht vagen und mäandernden) Interview bspw. lese: "Es gab einen Neutralitätspakt, der galt zwischen Japan und Moskau" und ein paar Zeilen später "Verrat Russlands", dann ist das ein Musterbeispiel für das genannte Problem. Klingt gut und schmissig, alle am Radio nicken - aber sogar Weinbergs 20 Jahre altes Buch liefert den exakten Tag des Auslaufes dieses Vertrages mehrere Monate vorher und eine differenzierte Darstellung der verschiedenen japanischen Bemühungen in Richtung Stalin danach, samt Akteuren und Quellen.

Zu Scherers Verteidigung: Bei so einer Zuspitzung gilt natürlich auch, dass Feuer mit Feuer bekämpft werden soll. Die ebenso monokausal-simplifizierende Erklärung "die Bomben" hätten "den Frieden" gebracht, scheint das zu sein, was Scherer dekonstruieren will. Sehr gut! Natürlich ist es legitim darauf hinzuweisen, dass der sowjetische Angriff eine starke Rolle spielte. Bloß: Das hat seit 25 Jahren vermutlich kein ernstzunehmender Historiker verleugnet; es ist aber nicht so gut merkbar und verkäuflich, wenn das Ganze in langen, bilderlosen Seiten differenziert ausdiskutiert wird. Also wird holzhammermäßig das binäre "Es war ganz anders!" in den Vordergrund gerückt. Die Debatte um Clarkes Schlafwandler lief auf exakt den gleichen Gleisen ab, und der Mann IST sogar ein guter Fachhistoriker. Breites Grinsen

Insgesamt sind solche Beiträge also immer mit Vorsicht zu genießen, solange da nicht Fachhistoriker quellenfundiert über ganz konkrete Einzelaspekte, die revidiert werden müssen, und ihre multiperspektivische Einflechtung in komplexe Hintergründe sprechen.

Nichtsdestoweniger gilt natürlich weiterhin, dass die Abwürfe eines der am heftigsten debattierten Themen der Geschichte sind. Natürlich gibt es widerstreitende Standpunkte, und sicher werden auch gute Leute starke Argumentationen vorbringen können, warum auch für die Zeitgenossen der Abwurf nicht angezeigt war. Die kenne ich nicht und habe sie nicht zur Hand; ich wollte ja auch keinen Forschungsstand abbilden.

Aber wenn ich schon bei einem Sample aus meinem Buchregal (ein Klassiker (Weinberg), eine Speerspitze der neuen Militärgeschichte (Lynn), ein einschlägiges Überblickswerk hochkarätiger Leute (Marston)) ein plausibles Narrativ zusammenbringe, dann finde ich das für mich einen überzeugenden Stand.
[Dieser Beitrag wurde 2 mal editiert; zum letzten Mal von [Amateur]Cain am 17.08.2015 2:01]
17.08.2015 1:54:33  Zum letzten Beitrag
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M@buse

AUP M@buse 22.12.2015
verschmitzt lachen
ok.
17.08.2015 2:05:06  Zum letzten Beitrag
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-Delta-

AUP Delta 06.10.2019
 
Zitat von [Amateur]Cain
Erst unter der kombinierten Katastrophe (scheinbar) unbegrenzter Nuklearwaffen UND des sowjetischen Angriffes kommen die Großen Sechs soweit, dass sie … ein Patt erzeugen.



Ich kann dazu leider keine Quellen angeben weil ich das aus einem Buch zur Nuklearphysik aus meinem Studium vor Jahren habe, aber so ein großer Bluff wie man immer glaubt war das auch keineswegs. Ja, zum Zeitpunkt das Abwurfs gab es nur die zwei Bomben, aber wie du ja auch schon korrekt feststellst eine dritte war schon unterwegs und nach dem was wir heute über das US-Nuklearprogramm wissen wären vermutlich innerhalb vergleichsweise kurzer Frist (Wochen bis wenige Monate) neue Bomben verfügbar gewesen wenn der Krieg weiter gegangen wäre.

Man kann trefflich darüber streiten wie "sinnvoll" der Einsatz der Atombomben nun letztlich war, aber so zu tun als wären sich "die Historiker" völlig einig dass das absolut "sinnlos" gewesen wäre ist doch arg vereinfacht und so ein Konsens ist für mich schwer vorstellbar, auch wenn es jetzt schon einige Jahre her ist dass ich mich intensiver mit dem Thema auseinandergesetzt habe (war wie gesagt im Physikstudium mal Teil eines längeren Exkurs zum Thema "Wissenschaft und Verantwortung" der mich dazu geführt hat da damals auch mehr nachzulesen)

Ich denke man macht es sich sehr einfach und ignoriert die damalige Situation wenn man den Einsatz der Bomben einfach so als kategorisch "sinnlos" abtut, ebenso wie man es sich zu einfach macht wenn man sagt "Klar, musste sein, keine weiteren Fragen! MURICA!"
[Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert; zum letzten Mal von -Delta- am 17.08.2015 2:12]
17.08.2015 2:10:49  Zum letzten Beitrag
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[Amateur]Cain

Amateur Cain
 
Zitat von RushHour

Ich sehe in Japan einen öffentlichen Bewußtseinstand wie in D. der 50er Jahre. Aber da mögen Japan-Kenner mich korrigieren, ish kenne nur einiges aus der Fachdebatte der (NS-)Erinnerungskultur, und das ist durchweg zum Kopfschütteln.



Die sind mittlerweile schon ein ganzes Stück weiter - ein Hurra für die Museen! Mein letzter Stand ist aus Mitte der 2000er, und da war schon ein veritabler Kulturkrieg in Gange. (Alle folgenden Angaben aus: Jeans, Roger B.: "Victims oder Victimizers? Museums, Textbooks, and the War Debate in Contemporary Japan", in: The Journal of Military History 69 (2005), S. 149-195)

Grundsätzlich gibt es eine ähnliche Frontstellung wie in Europa "in which conservatives and right-wingers duel with moderates and leftists over the "correct" history of the war." Während die Masse der Kriegsmuseen tatsächlich noch das alte glorifizierende Kriegsbild vertreten, nennen sich Museen, die die Kriegsschuld Japans thematisieren, "Friedensmuseen" - sie werden von ihren Gegnern aber oft als "Agressionsmuseen" diskreditiert. Es kämpfen sogar verschiedene öffentliche Institutionen gegeneinander um die Erinnerung, indem sie an einem Ort konkurrierende Museen eröffnen (Showa Hall vs. Ajia rekishi shiryo sentaa). Mittlerweile gibt es wenigstens ein Netzwerk der Friedensmuseen, um gegen die (natürlich auch monetäre) Übermacht der Kriegsmuseen anzukommen.

Spannendes Zitat übrigens zum Yasukuni-Schrein. Der ist auch Museum, aber eben vor allem Schrein. "The thing is, as soon as you bring historians in, you run into problems, you get distortions. As a shrine, we must think of the feelings of the spirits and their families. We must keep them happy. That is why historians cause such problems." (Priester des Schreins, S.154. Indirektes Zitat)



(167)
17.08.2015 11:49:41  Zum letzten Beitrag
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 Thema: Geschichte & Politik XI ( événement, moyenne durée, longue durée )
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