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 Moderiert von: Irdorath, statixx, Teh Wizard of Aiz


 Thema: Geschichte & Politik XI ( événement, moyenne durée, longue durée )
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Shooter

shooter
Gibt es hier Experten für das römische Reich (Imperium Romanum von der "entstehung" bis zur Reichsteilung und der Entstehung des Byzantischen Reiches)?

Mein Interesse an diese Zeit, insbesondere natürlich die Strukturen des römischen Reiches, ist in den letzten Jahren immer mal wieder entflammt, vor allem auch durch meine Vorliebe für historische Romane (angefangen mit Robert Harris Bücher über Cicero und Pompeji über aktuell die äusserst spannende "Eagle"-Serie von Simon Scarrow). Da ein Roman aber halt immer noch ein Roman und kein Sachbuch ist, ich aber natürlich gerne auch die Hintergründe erfahren möchte, bin ich nun auf der Suche nach entsprechender Literatur. Ich habe mir bereits Robert Knapp's "Römer im Schatten der Geschichte" zugelegt und wollte mich nun ein wenig umsehen, was es so aktuell über die Zeit der Kaiser (also ab Augustus bis zum vierkaiser-Jahr) an Bücher gibt (vor allem auch deshalb, weil das auch die Zeit ist, in welcher die "Eagle"-Reihe spielt Breites Grinsen ). Leider habe ich absolut keine Ahnung, welche Bücher wie aktuell sind, welche Bücher von der Forschung bereits überholt wurden, und natürlich wäre es auch gut, wenn man die Dinger lesen und verstehen könnte, ohne dass man Geschichte studiert hat Breites Grinsen

Ich weiss, das ganze Thema über das römische Reich ist vermutlich enorm gross und weitläufig. Ich denke deshalb nicht, dass es ein allumfassendes Standardwerk gibt (falls doch, immer her damit!).
02.10.2014 9:10:22  Zum letzten Beitrag
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gdshard.morpheus

Leet
Gibt natürlich ein ziemlich endlose Masse an Darstellungen und eine von ihrer jeweils eigenen Zeit geprägte Perspektive bringen Sie auch alle (naja, so schlimm ists auch wieder nicht Augenzwinkern) gerne mit. Eine schön lesbare Gesamtdarstellung fand ich A. Heuss: Römische Geschichte. Die Texte zur Literaturlage am Ende sind neueren Datums und helfen auch direkt dabei das ganze einzuordnen, Heuss selber war ja ein Historiker der frühen Bundesrepublik. Das große Überblickswerk zur Kaiserzeit dürfte das Buch von Karl Christ ("Geschichte der Römischen Kaiserzeit") sein, mit Dahlheim z.B. dürfte man aber auch nicht so grundsätzlich etwas falsch machen.
Grundsätzlich kann man sich der römischen Geschichte etwa in der späten Republik und der frühen Kaiserzeit auch sehr schön über Biografien nähern, etwa Chr. Meier: Caesar oder Werner Dahlheim: Augustus. Leider sind einige Kaiser dabei an de Vorurteilen die über sie einfach tief sitzen: offenbar ist es nicht grade leicht Caligula oder Nero neutral zu sehen.

Gibt noch jede Menge, wenn Du dich für ein spezielles Thema interessierst fällt es vllt. etwas leichter was zu nennen Augenzwinkern
02.10.2014 18:31:13  Zum letzten Beitrag
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RushHour

rushhour
Asterix?
02.10.2014 20:22:29  Zum letzten Beitrag
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Reisschuessel

Arctic
 
Zitat von RushHour

Asterix?



Beste, mehr braucht man nicht fürs Grundstudium
03.10.2014 0:49:50  Zum letzten Beitrag
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[Amateur]Cain

Amateur Cain
...
Wenn's noch irgendwo ein Grundstudium gäbe ...
03.10.2014 9:04:29  Zum letzten Beitrag
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RushHour

rushhour
Tja, dünn geworden ...

http://studiengaenge.zeit.de/studienangebote/abschluss/diplom-studiengaenge
[Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert; zum letzten Mal von RushHour am 03.10.2014 9:56]
03.10.2014 9:55:15  Zum letzten Beitrag
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Shooter

shooter
...
 
Zitat von gdshard.morpheus

Gibt natürlich ein ziemlich endlose Masse an Darstellungen und eine von ihrer jeweils eigenen Zeit geprägte Perspektive bringen Sie auch alle (naja, so schlimm ists auch wieder nicht Augenzwinkern) gerne mit. Eine schön lesbare Gesamtdarstellung fand ich A. Heuss: Römische Geschichte. Die Texte zur Literaturlage am Ende sind neueren Datums und helfen auch direkt dabei das ganze einzuordnen, Heuss selber war ja ein Historiker der frühen Bundesrepublik. Das große Überblickswerk zur Kaiserzeit dürfte das Buch von Karl Christ ("Geschichte der Römischen Kaiserzeit") sein, mit Dahlheim z.B. dürfte man aber auch nicht so grundsätzlich etwas falsch machen.
Grundsätzlich kann man sich der römischen Geschichte etwa in der späten Republik und der frühen Kaiserzeit auch sehr schön über Biografien nähern, etwa Chr. Meier: Caesar oder Werner Dahlheim: Augustus. Leider sind einige Kaiser dabei an de Vorurteilen die über sie einfach tief sitzen: offenbar ist es nicht grade leicht Caligula oder Nero neutral zu sehen.

Gibt noch jede Menge, wenn Du dich für ein spezielles Thema interessierst fällt es vllt. etwas leichter was zu nennen Augenzwinkern


Danke dir, das Buch über Augustus von Dalheim hab ich mir in der Buchhandlung sogar einmal angeschaut, hab es aber nicht mitgenommen. Das mit den Vorurteilen ist mir auch schon bei diversen Lektüren aufgefallen, aber eigentlich lustig zu sehen, dass die Intrigen und auch schönfärbereien (Julius Ceasar hat ja gerne mal gegnerische Armeen bisschen grösser dargestellt als sie es vermutlich waren...) heute immer noch ihre Wirkung entfalten Breites Grinsen
03.10.2014 10:38:42  Zum letzten Beitrag
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NTGhost

AUP Netghost 26.11.2007
So moin Leute heute mal wieder eine ernsthafte Frage von mir, kreuzt es euch im Kalender an: fröhlich

Ich suche Quellen, wissenschaftlich und historisch. Die sich mit dem GEFECHSTMÄSSIGEN Kämpfen mit dem Langen Schwert befassen.
In der Hema Szene wird zu 90% nur das Bolßfechten zu Lichtenauer und Talhoffer behandelt, ein kleiner Teil beschäftigt sich mit dem Harnischfechten, aber ich habe bisher nur eine Quelle aus dem 12jhr gefunden die sich generell mit dem Gefechtsmässigen Kämpfen befasst bzw die Auswirkungen beschreibt.
Alle mir bekannten Quellen gehen hier immer von einem Duell unter gleichen aus oder von kontrollierten Bedingungen (Gerichtskampf). Ich habe aber noch nichts gefunden was sich mit dem Kampf des Langen Schwertes gegen zb. Schild und Einhandwaffe befasst Wie zb. Kampf im Buhurt.
Laut Aussage eines Kendokämpfers gibt es derartige Lehren für das Kendo. Mich würde es sehr wundern wenn es für das Lange Schwert keine derartigen überlegungen gab.
Ich kann ehrlich gesagt nicht ganz glauben das es keinerlei Zeugnisse derartiger Lehren mehr gibt.

Auf die Blossfecht quellen habe ich fast kompletten zugriff auf andere Sachen noch nicht. Was ich vor allem Suche sind Ideen WO ich suchen sollte. Hinweisse für andere Waffen werden auch gerne für den Anfang genommen.

Vegezius hatte ich noch nicht angefangen.
der Typ aus dem 12 jhr wird auch noch gemacht.
Und sonst?
danke euch schonmal
05.10.2014 11:31:53  Zum letzten Beitrag
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kricke

kricke
 
Zitat von sprachdelle

"Wie verstehen wir den Begriff 'objektiv' in welchem Kontext?"


Ich denke, dass in dieser Diskussion mehrere Fragestellungen, die um das Wort "objektiv" kreisen, durcheinandergeworfen wurden.

(1) Die Objektivität naturwissenschaftlicher Sachverhalte: Ich nehme dazu keine konventionalistische Position ein, sondern würde dazu ganz klassisch die Korrespondenztheorie der Wahrheit vertreten. Ich habe keine Einwände gegen den wissenschaftlichen Realismus, der Poppers "Logik der Forschung" zugrundeliegt.

(2) Die Objektivität sozialer Sachverhalte: Diese Frage ist ein bisschen verwirrender. Gesellschaftliche Wirklichkeit wird nämlich überhaupt erst durch das "Wissen", das Individuen über die Gesellschaft haben, konstituiert (Berger/Luckmann). Es ist ein sozialer Tatbestand, dass man an einer roten Ampel anhalten muss, aber wo existiert dieses Faktum? Nur in den Wissensbeständen von Menschen. Trotzdem ist es insofern "objektiv", als es dem einzelnen Individuum als unveränderlicher Strukturzwang entgegentritt. Und in diesem Sinne lässt es sich genau so objektiv beschreiben wie naturwissenschaftliche Sachverhalte.

(3) Objektives Wertgesetz vs. subjektive Nutzeneinschätzungen: Das ist eine wirtschaftswissenschaftliche Fragestellung. Wie kommen Preise zustande? Marx' Position ist, dass es einen durch die sozio-technischen Bedingungen der Produktion bestimmten Produktionspreis gibt, der als "objektives" Gravitationszentrum der Preisbewegung fungiert. Die Neoklassik führt Preise dagegen auf subjektive Nutzeneinschätzungen zurück. Im Grunde sind die beiden Positionen nicht einmal inkompatibel. Wenn man die Produktion so modelliert wie Marx (Leontief-Produktionsfunktion), dann gibt es keinen Widerspruch zwischen den beiden Argumentationen. Marx nutzt die in den Waren "vergegenständlichten" Arbeitsquanta, um Ausbeutung zu definieren und zu analysieren. Dafür interessiert sich die neoklassische Volkswirtschaftslehre aber gar nicht.
12.10.2014 1:17:43  Zum letzten Beitrag
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Wraith of Seth

wraith_of_seth
 
Zitat von sprachdelle

//Ich habe zum Beispiel an irgendeiner Stelle mal gelesen, dass Menschenfreund (oder war es NotOnTour) von sich selbst behauptet hat, dass er Materialist wäre (korrigiert mich, wenn das Bullshit ist). Wenn man sich dann mal die Entwicklung von Grundlagenannahmen in dieser Richtung anschaut (der starke Physikalismus hatte seine Prachtjahre ja schon zur Jahrtausendwende hinter sich), kann ich die Argumentationen immer nicht so recht für voll nehmen, weil es ziemlich gute Argumente (nein, kein esoterisches Geschwätz von Geist und Welt) gibt, die den Materialismus in sich am Ende unbeantwortet lassen (siehe Intentionalität, Emergenz).

Spannend finde ich in dieser Hinsicht derzeit den graduellen Panpsychismus gepaart mit einem schwachen Begriff von Emergenz.

(http://de.wikipedia.org/wiki/Emergenz#Schwache_und_starke_Emergenz

http://de.wikipedia.org/wiki/Panpsychismus#Gradueller_Panpsychismus)


Mir ist irgendwie, je länger ich mich versuche, damit zu beschäftigen, zunehmend unklar, wieso Emergenz und menschliches Denken ein Problem für Materialismus sein soll.

Krawehl, krawehl! Taubtrüber Ginst am Musenhain, trübtauber Hain am Musenginst! Krawehl, krawehl!
12.10.2014 3:30:09  Zum letzten Beitrag
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[Amateur]Cain

Amateur Cain
unglaeubig gucken
Einfach, weil ich's grad bei der Arbeit gefunden hab.

"Noch immer gingen [zwischen Mai 1942 und April 1943] dem Ostheer Monat für Monat knapp 109000 Mann, darunter mehr als 3000 Offiziere, als Gefallene, Verwundete oder Kriegsgefangene verloren."

- Bernd Wegner: Von Stalingrad nach Kursk, in: Frieser, Karl-Heinz (Hrsg.): Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Band 8: Die Ostfront 1943/44, München 2007, S. 3-82. S. 11f.
22.10.2014 11:07:04  Zum letzten Beitrag
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RushHour

rushhour
Gab es keinen obersten Reichsstatistikführer? Offenbar nicht! Fehler! Breites Grinsen
22.10.2014 11:49:09  Zum letzten Beitrag
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sprachdelle

Arctic
 
Zitat von Wraith of Seth

 
Zitat von sprachdelle

...


Mir ist irgendwie, je länger ich mich versuche, damit zu beschäftigen, zunehmend unklar, wieso Emergenz und menschliches Denken ein Problem für Materialismus sein soll.

Krawehl, krawehl! Taubtrüber Ginst am Musenhain, trübtauber Hain am Musenginst! Krawehl, krawehl!



Ich wage mich mal aus der Deckung und möchte als Disclaimer vorausschicken, dass es mir bei dem, was ich da oben geschrieben habe, nicht darum ging, zu sagen: "Du hast mit deiner Grundannahme nicht recht!", sondern, dass es mir sauer aufstößt, mit welcher überheblichen Selbstverständlichkeit davon ausgegangen wird, dass das eigene Bild der Wahrheit entspricht, obwohl es höchst umstritten ist (und das in keinem Nebensatz erwähnt wird).

0) "Eigenschaften gibt es nicht." Ein reduktiver Physikalismus muss mit Notwendigkeit erklären können, wie sich ein emergenter Vorgang entwickelt. Das ist aber, definiert über den Begriff der "Emergenz", nicht möglich (Unvorhersagbarkeit, Irreduzibilität). Daraus folgen zwei Möglichkeiten: 1) Emergenz ist nicht mehr als ein Rumpelkammerbegriff für "Das können wir noch nicht erklären" und hilft damit niemandem weiter (Fußnote 1) - der Vorgang wird trivial, oder 2) so man an dem Vorgang der Emergenz festhalten möchte, man davon ausgehen muss, dass mentale Entitäten eben irreduzibel sind. Schlägt man den zweiten Weg ein, muss sich der Physikalist damit begnügen, viele Dinge erklären zu können, aber damit nicht die grundlegenden Entitäten der Ontologie gefunden haben. Denn jeder Mensch, der das hier liest und dem Gelesenen einen Sinn (im Sinne von Bedeutung der Wörter - nicht "Richtigkeit") zumisst, kann nicht im gleichen Atemzug verneinen, dass das nicht eine grundlegende Entität der Welt ist, weil der Mensch, der diese Bedeutung zuschreibt, 1) derjenige ist, der sich kritisieren möchte und 2) dieser Mensch mit dieser Kritik in dieser Welt ist, in der er gerne selber den Physikalismus verteidigen möchte. - Und zwar mit Hilfe von Bedeutung von Zeichen, Symbolen und Sätzen.

Fußnote 1) Denn es ist kein hinreichendes Argument, den Kritiker des Physikalismus auf den Tag zu vertrösten, an dem die in der Zukunft existierende "ideale, alles erklärende Physik" eine Lösung gefunden hat, weil damit impliziert ist, dass wesentliche Merkmale zur Weltbeschreibung hinzugekommen sind, die zu diesem Zeitpunkt anerkannt sein werden, nach der heute gültigen Definition von Physikalismus aber schlichtweg nicht statthaft sind, zu postulieren.


Und hier noch ein paar Argumente zum menschlichen Denken (es gibt einen Haufen weitere und alle werden diskutiert) in Bezug auf den Physikalismus. [Disclaimer: Vorsicht, verkürzte Darstellung; eventuell auch falsch. Bin nur kleiner Bachelorstudent.])

1.1) Die Selbstwiderlegung. Sofern (physikalische) Theorien eine ontologische Erklärung über die existierenden Entitäten der Welt sein sollen, können sie auf Grund der Tatsache, dass sie nur etwas bedeuten können, wenn es Bedeutung gibt, nicht die Erklärung für einen reinen Physikalismus sein. - Denn Bedeutung existiert im Physikalismus nicht. (Dieses Argument ist sehr umstritten).

1.2, gehört zu 1) Die Selbstwiderlegung des Intentionalen Vokabulars an sich. Nehmen wir an, dass gezeigt werden kann, dass der Physikalismus der Wahrheit entspricht. Die rationale Reaktion darauf müsste sein, dass man alle anderen Existenzbehauptungen "aufgibt", "ablehnt", "vermeidet" usw. Nun sind aber genau diese Begriffe Ausdruck von intentionalem Handeln eines Menschen. Sofern also intentionales Vokabular benötigt wird, um die Konsequenzen aus dem (als richtig gezeigten) Physikalismus zu ziehen, widerlegt er sich genau in diesem Moment selber, weil er das intentionale Vokabular in Anspruch nehmen muss.

2) Das Problem der Qualia. Wenn wir, basierend auf den Erkenntnissen des (inzwischen als richtig erwiesenen Physikalismus) ein Gehirn öffnen, während wir ein Vanilleeis essen, kann man zwar ein physikalisches oder neurophysiologisches Korrelat an Aktionen von feuernden Neuronen beim Schmecken des Eis' erblicken. Was dem Wissenschaftler damit allerdings nicht gelingt, ist die Qualität des Erlebnisses für die einzelne Person einzufangen (wie das Vanilleeis schmeckt). (Dazu gibt es einen guten, kurzen Text: "Was es heißt, eine Fledermaus zu sein.")

3) Der Universalienstreit (hier auch in Form eines performativen Selbstwiderspruchs), der, sofern der Physikalist die Position eines reinen Nominalismus vertritt (und die muss er mit Notwenidigkeit vertreten, sofern er ontologischer Physikalist ist, weil es dann eben nur Einzeldinge gibt), nicht erklären kann, wie Klassen, Types, Tropen existieren können. Da diese jedoch die Grundlage dafür sind, dass die Mathematik existieren kann (Mengenlehre), mit der die Theorie des Physikalisten einen Wahrheitsanspruch anmelden kann, widerlegt sie sich im Moment, in dem sie sich der Mathematik bedient, selbst.


Meine persönliche Schlussfolgerung daraus ist zweigeteilt.

1) Ich denke, dass die Naturwissenschaften sozusagen "auf der richtigen Spur" sind. D.h., sie haben sich grad in ihrer Begriffswelt nicht so verrannt haben, wie der eine Typ, der kurz nach dem Mittelalter den "Äther" als das fundamentale Ding ins Spiel brachte. Ich bin überzeugt davon, dass die Theorien, die bisher existieren, richtig sind, weil sie super funktionieren. Dass diese menschliche Konstruktion richtig ist, erwächst aber nicht aus der Tatsache, dass sie Wahrheit abbildet, sondern, dass sie funktioniert, d.i. für uns von Nutzen ist.

2) Möchten wir daran festhalten, dass unsere menschliche Qualia (als das "Erleben des Mensch-Seins", z.B. auch während des Forschens) des einzelnen menschlichen Individuum einen höheren Stellenwert, als die ontologische Korrektheit der Physik hat, müssen (nicht weil wir wollen, sondern weil es mit Notwendigkeit impliziert ist) wir davon ausgehen, dass selbst auf der elementarsten Ebene von Existenz (im metaphysischen Sinn), so etwas wie Geist anzutreffen sein muss. Sonst verstehen wir (jeder für sich, die Menschen untereinander, die Menschheit als zusammengefasstes Objekt) uns einfach selber nicht mehr. Wir könnten uns nicht mehr begreifen.
[Dieser Beitrag wurde 6 mal editiert; zum letzten Mal von sprachdelle am 22.10.2014 13:08]
22.10.2014 12:41:19  Zum letzten Beitrag
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sprachdelle

Arctic
Danke übrigens, Kricke, für deine Antwort! Zu Punkt (3): Dass das so miteinander vereinbar ist, wie du geschrieben hast, kann durchaus sein. Ich denke nur, dass das eventuell eine Ebene zu niedrig gedacht ist. Grund für diese Annahme ist die Tatsache, dass, sofern wir dir zugestehen, du mit deiner Behauptung recht hast, sich die Implikationen, die mit diesen Theorien einhergehen, voneinandern entfernen wie Hölle und Eis.

Sofern eine gegensätzliche Argumentation aber zu solch einem Ergebnis führt, ist schwer einzusehen, dass das alles gewesen sein soll. Da muss es noch eine andere Ebene geben, die dafür sorgt, dass es solche entgegengesetzten Implikationen gibt. Denn wenn Grund g dazu führt, dass das Ergebnis A, aber auch das Ergebnis Z möglich ist, kann irgendwas mit der These nicht stimmen. Dann wäre es nicht Entscheidung, sondern Zufall.
[Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert; zum letzten Mal von sprachdelle am 22.10.2014 13:11]
22.10.2014 13:05:09  Zum letzten Beitrag
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[Amateur]Cain

Amateur Cain
... und das ist der Grund, warum niemand Geschichtsbücher liest, aber alle Guido Knopp gucken. Hässlon
22.10.2014 13:26:35  Zum letzten Beitrag
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sprachdelle

Arctic
Ich glaube, ich verstehe nicht ganz, wie du das meinst. Mhm.
22.10.2014 13:39:53  Zum letzten Beitrag
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[Amateur]Cain

Amateur Cain
...
Das glaub ich sofort!
22.10.2014 13:41:29  Zum letzten Beitrag
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sprachdelle

Arctic
Kannst du mich mit einem kurzen Statement erleuchten?
22.10.2014 13:42:57  Zum letzten Beitrag
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RushHour

rushhour
Ich probiers mal. Das hier ist eine der Mathematik oder Logik, also den empirischen Natur- und der exakten Wissenschaft entlehnte Denkweise:

 
Denn wenn Grund g dazu führt, dass das Ergebnis A, aber auch das Ergebnis Z möglich ist, kann irgendwas mit der These nicht stimmen. Dann wäre es nicht Entscheidung, sondern Zufall.



Solche Regeln gelten, wenn es um Mensch und Gesellschaft geht, aber nicht. Hier kann es durchaus sein, dass unter vergleichbaren Bedingungen verschiedene Ergebnisse rauskommen, eben weil man Freiheit oder Kontingenz (wenn man es technischer mag: Reziprozität; philosophischer: Dialektik) in menschlichen und sozialen Dingen mitdenken muß. Dialektische Logik, zB des klassischen DiaMat, würde dies hier bejahen:

 
Sofern eine gegensätzliche Argumentation aber zu solch einem Ergebnis führt, ist schwer einzusehen, dass das alles gewesen sein soll. Da muss es noch eine andere Ebene geben, die dafür sorgt, dass es solche entgegengesetzten Implikationen gibt.


Also als ganz schlichtes Beispiel nur zur Ilustration: Hinter den Auseinandersetzungen der Nationalstaaten auf der politische Ebene geht es um die globalen Akkumulationstendenzen des Kapitals; auf der Ebene, auf der man "Politik" handlungs- und institionenmäßig an Unis erforscht läßt sich das aber nicht erkennen, es geht dabei ja nicht um Geheimkonferenzen der Trilateralen kommission und Offshore-Konten mit Schmiergeldern. Um den Zusammenhang und die Vermittlungsstufen zu erkennen bräuchte man hingegen einen Begriff der (totalen) Vergesellschaftung durch den Wert (oder eine andere vergleichbare Rahmentheorie), dergleichen aber ist leider nicht messbar, sondern nur denkbar, weshalb man sowas heutzutage für Metaphysik oder Ideologie hält.

Menschen und Gesellschaften sind zudem systemtheoretisch gesprochen "komplexe Maschinen" - sie können auf gleiche Inputs verschieden reagieren. Das ist ihr Wesen. Frösche, Stahlträger, Photonen und Proteine können das hingegen nicht. Zudem läßt sich sozialwissenschaftlich keine Laborsituation schaffen, aus der universell gültige Protokollsätze hervorgehen können, eben weil die Einbindung in gesellschaftliche Rahmenbedingungen beim Menschen nicht ausgeschaltet werden kann. Ohne Theorie der Gesamtgesellschaft weiß man aber nichts von den Einflußgrößen, mit denen man es zu tun haben könnte. Eine solche Theorie kann aber nicht an sich empirisch abgesichert werden, weil sich "das Ganze" eben nicht erforschen, sondern nur denken läßt.

Sozialwissenschaft die diese Differenzen leugnet ist deppert. Obwohl menschliches und soziales Verhalten aber nun mal nicht bloß auszumessen ist, sondern hermeneutische Aufgaben stellt (sinnhaftes Verstehen) halten viele moderne Wissenschaftler das für "unwissenschaftlich", und dem Publikum ist es zudem zu kompliziert. Deswegen ist Guido Knopp beliebt, weil er rückwirkend genau so vereinfacht: Weil y eintrat gab es Ergebnis B. Hätte der Führer aber z entschieden (die V4 weiterentwickelt!) statt y, ja, dann wäre tatsächlich Ergebnis C (Separatfrieden im Westen!) eingetreten, Ei! Das versteht der silberhaarige ZDF-Gucker grad noch - der Führer hats versemmelt, und er hatte schlechte Berater! Hätteermalaufdenporschegehört! So spricht der GröHaz, der Größte Historiker Aller Zeiten. Breites Grinsen

Das ist aber Geschichte (oder Soziologie usw.) ex post, also im Nachhinein, da erscheint der Pfad, der eingetreten ist, ablauflogisch plötzlich zwingend gewesen zu sein. Scheint. So Geschichte zu schreiben ist aber unredlich. Denen, die an ihr beteiligt waren, stellte sie sich eben nicht vom späteren Ergebnis her dar, sondern als offene Zukunft mit unzähligen Möglichkeiten, und mit Optionen zu eigenem Einwirken, dessen Konsequenzen man zwar bedenken mag, aber nicht wirklich absehen kann, weil das Einwirken unendlich vieler anderer Kräfte nunmal nicht kalkuliert werden kann. Den Zusammenbruch der Sowjetunion oder die EU-Bankenkrise hat keine Sau vorhergesene, inklusive hochbezahlter Spezialisten und extrem mächtiger Organisationen (Geheimdienste, Zentralbanken - das sind ja keine Schrebergartenvereine), die über Jahrzehnte eigentlich genau für so etwas da gewesen sind, und dann ihren großen Einsatz allesamt verpennt haben. Ob das nicht doch auf echte Systemfehler der dahinterleigenden Denktradition hindeutet?

Menschliche Geschichte vollzieht sich eventuell doch etwas anders. Ich empfehle das Lied von der Moldau.
[Dieser Beitrag wurde 3 mal editiert; zum letzten Mal von RushHour am 22.10.2014 14:39]
22.10.2014 14:35:14  Zum letzten Beitrag
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Poliadversum

AUP Poliadversum 30.08.2012
 
Zitat von RushHour

Ich probiers mal. Das hier ist eine der Mathematik oder Logik, also den empirischen Natur- und der exakten Wissenschaft entlehnte Denkweise:

 
Denn wenn Grund g dazu führt, dass das Ergebnis A, aber auch das Ergebnis Z möglich ist, kann irgendwas mit der These nicht stimmen. Dann wäre es nicht Entscheidung, sondern Zufall.





Wenn ich das Beispiel richtig verstehe, ist die erste Variante ("etwas stimmt an der These nicht") doch gar kein Problem: entweder wir verstehen die Faktoren nicht komplett oder es spielen noch andere Variablen eine Rolle von denen wir nichts wissen. Da brauche ich keine Hermeneutik dafür, das ist in empirischer Denkweise alles konzeptualisierbar.
Zum anderen sehe ich das Problem mit der zweiten Variante nicht, also warum "Zufall" keine valide Erklärung bzw. ein Faktor in diesem outcome sein darf. Zufall ist überall und bestimmt in großem Maße die Welt und was in ihr geschieht. Eine Theorie die alles als rational und erklärbar auffasst, verkennt für mich die Realität.

Schlußendlich sehe ich auch auf Basis dieser Argumentation keinen validen Kritikpunkt an empirischer Wissenschaft und auch keinen überzeugenden Grund, warum diese Fragen hermeneutisch besser zu lösen wären.
[Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert; zum letzten Mal von Poliadversum am 22.10.2014 14:57]
22.10.2014 14:56:35  Zum letzten Beitrag
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RushHour

rushhour
Ist ja auch m.E. kein entweder-oder. Die These man müßte alle wissenschaftlichen Sachverhalte in der Sprache der Mathematik (also letztlich als Formel) ausdrücken können wäre aber eine sehr einseititge Begrenzung - falls das gemeint war.

Ich gelte ja witzigerwiese in meinem beruflichen Feld, wo primär Sozialpädagogen, Lehrer, Therapeuten, Ethnologen usw. rumlaufen, als Zahlenhuber, weil ich (in seeehr bescheidenem Umfang) empirische Sozialforschung und -messung und Statistik betreibe und vor allem befürworte. Wenn ich eine größere Evaluation oder eine kleinere Umfrage konzipiere halte ich mich auch an die bekannten Verfahren. Nur ohne gesellschafstheoretische Rahmung bringt das halt nix, weil man die Ergebnisse dann m.E. nicht angemessen kontextualisieren kann. Und Gesellschaft als Ganze oder der Mensch als Gattungswesen usw. - was man als Kontext eben nunmal braucht - kann eben kein Objekt empirischer Forschung sein, d.h. da braucht amn Theorie im hermeneutischen Sinne.

Und ich denke das eine gut geführte, rein hermeneutische Argumentation nicht weniger beweiskräftig ist als eine empirisch gewonnene Datenmenge, weil eben letztere auch nur durch eine rahmende Argumentation Beweiskraft erhält.
22.10.2014 16:22:44  Zum letzten Beitrag
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catch fire

AUP catch fire 17.12.2013
 
Zitat von RushHour

Menschen und Gesellschaften sind zudem systemtheoretisch gesprochen "komplexe Maschinen" - sie können auf gleiche Inputs verschieden reagieren. Das ist ihr Wesen. Frösche, Stahlträger, Photonen und Proteine können das hingegen nicht.


Kannst du mir das bitte einmal näher erläutern? Für mich lässt das biologische System des Frosches mehrere Verhaltensweisen auf den gleichen Input zu, glaube aber, dass ich dich in diesem Punkt falsch verstehen könnte.
22.10.2014 16:44:04  Zum letzten Beitrag
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Poliadversum

AUP Poliadversum 30.08.2012
 
Zitat von RushHour


Und ich denke das eine gut geführte, rein hermeneutische Argumentation nicht weniger beweiskräftig ist als eine empirisch gewonnene Datenmenge, weil eben letztere auch nur durch eine rahmende Argumentation Beweiskraft erhält.


Dass empirische Untersuchung Überlegungen unterliegt bzw. unterliegen sollte, die im weiteren Sinne als geisteswissenschaftlich/hermeneutisch zu bezeichnen sind, da bin ich noch bei dir. Blind messen und die Daten im Luftleeren Raum haben ist natürlich sinnlos.

Aber eine rein hermeneutisch hergeleitete Argumentation kann und darf auch niemals die selbe Tragweite haben, wie empirisch gesicherte Daten, zumindest wenn die Rückschlüsse auf Menschen angewendet werden sollen. Bestes Beispiel hierfür sind aberwitzige Auswüchse der hermeneutischen (Schul-)Pädagogik und Fachdidaktik wie das "Schreiben wie mans spricht"- die hermeneutische Überlegung dahinter ist, dass die Kinder in der Grundschule schneller Erfolgserfahrungen machen wenn sie so schreiben dürfen, wie man die Sprache spricht. In sich schlüssig, vielleicht zumindest. Wurde nie empirisch evaluiert und einfach durchgesetzt und ist jetzt in bayerischen Grundschulen usus. Alles was dabei aber tatsächlich passiert, ist dass die Kinder falsche Rechtschreibung lernen und dann unter großen Problemen wieder umlernen müssen.
Deshalb ist rein hermeneutische Argumentation für eine solche, praktische Anwendung absolute Grütze.
[Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert; zum letzten Mal von Poliadversum am 22.10.2014 17:12]
22.10.2014 17:11:44  Zum letzten Beitrag
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Smoking44*

AUP Smoking44* 22.04.2010
 
Zitat von RushHour

Ist ja auch m.E. kein entweder-oder. Die These man müßte alle wissenschaftlichen Sachverhalte in der Sprache der Mathematik (also letztlich als Formel) ausdrücken können wäre aber eine sehr einseititge Begrenzung - falls das gemeint war.

Ich gelte ja witzigerwiese in meinem beruflichen Feld, wo primär Sozialpädagogen, Lehrer, Therapeuten, Ethnologen usw. rumlaufen, als Zahlenhuber, weil ich (in seeehr bescheidenem Umfang) empirische Sozialforschung und -messung und Statistik betreibe und vor allem befürworte. Wenn ich eine größere Evaluation oder eine kleinere Umfrage konzipiere halte ich mich auch an die bekannten Verfahren. Nur ohne gesellschafstheoretische Rahmung bringt das halt nix, weil man die Ergebnisse dann m.E. nicht angemessen kontextualisieren kann. Und Gesellschaft als Ganze oder der Mensch als Gattungswesen usw. - was man als Kontext eben nunmal braucht - kann eben kein Objekt empirischer Forschung sein, d.h. da braucht amn Theorie im hermeneutischen Sinne.

Und ich denke das eine gut geführte, rein hermeneutische Argumentation nicht weniger beweiskräftig ist als eine empirisch gewonnene Datenmenge, weil eben letztere auch nur durch eine rahmende Argumentation Beweiskraft erhält.



Was ist aus "Das ist ein Laborratten-Zugang zum Menschen, das halte ich wirklich weitgehend für lächerlich und fast vollkommen erkenntnisblind." geworden? Augenzwinkern

RushHour, ich lese deine Beiträge recht gerne, muss jetzt aber mal entschieden widersprechen. Ich weiß nicht genau wogegen eigentlich (die Problematik erkläre ich im 2. Teil dieses Posts), aber zumindest will ich etwas dazu schreiben, was ich als Kern deiner Posts aufnehme:

Die (auch) empirisch arbeitende Soziologie hat nicht den gleichen wahnsinnigen Anspruch an ihre Tragweite und Bedeutung, die du ihr implizit andichtest.

Was redest du von Kontextualisierung von Ergebnissen!? Empirische Untersuchung findet natürlich nicht im luftleeren Raum statt! Ernstzunehmende Forschung ist immer theoriegeleitet und Teil eines ganzen Forschungsstranges. Es kann aber - und will - nicht zu jedem Zeitpunkt die Entstehung der Erde neu aufgerollt werden, das muss es aber schließlich auch nicht, denn man knüpft ja an bereits bestehende Methoden und Theorietraditionen an.

Weiter: Wieso kann die Gesellschaft kein Objekt empirischer Forschung sein? Auf welchem Level verstehst du diesen Begriff, dass du seine aggregierten Spezifika oder eben die Eigenschaften seiner (Sub)Systeme/Organisationen/Mitglieder nicht beobachten können willst?
Was ist das denn bitte dann, wenn ich mir international vergleichende Forschung zu Makro- und Mikrostrukturen der Wohnbevölkerung unterschiedlicher Nationalstaaten anschaue?

Wie kann schließlich die "Beweiskraft" einer hermeneutischen Untersuchung der einer quantitativen Untersuchung entsprechen - selbst wenn letztere "einen Kontext hat" (was ja niemand anzweifelt)?
Also ganz explizit jetzt. Du willst soziales Verhalten im großen Maßstab abbilden, beschreiben, erklären (was quantitative Untersuchungen bspw. leisten können) -- wie machst du das? Du behauptest doch, dass dieses Untersuchungsobjekt nicht mal zur Verfügung steht!
Was ist dann mit methodologischen Individualismus? Der guten alten Badewanne von Coleman? Demoskopie, Sozialstrukturanalyse, Bevölkerungsumfragen, Zwillingsstudien -- gibt es das alles gar nicht, oder was?!


Den selben Fehler mit dem Anspruch begehst du übrigens im Bezug auf die Mathematisierung der Sozialwissenschaft (wobei dich alle engstirnigen und großkotzigen Mathematiker aber sicher auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit gerne bei unterstützen würden).

Niemand spricht davon, jeden (oder überhaupt einen!) soziologischen Sachverhalt 1:1 in mathematischer Sprache abzubilden. Das wäre sicher methodologisch eine tolle Sache und fein anzuschauen (wenn man viel Zeit hat), aber eine solche Abbildung hätte in der Form kaum einen Erkenntniswert.
Aber diesen Anspruch hat schließlich auch kein empirisch arbeitender Sozialwissenschaftler.

Es geht um Modelle. Sie bilden einen Teil der sozialen Wirklichkeit ab, helfen das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen, Einflüsse zu isolieren und vielleicht Prognosen zu wagen. Sie sind Werkzeuge. Postulieren sie einen deterministischen Zusammenhang a la "wenn a, dann b" im Kontext sozialen Verhaltens? Nein! Natürlich nicht.
Die statistische Theorie, die hinter den handelsüblichen empirischen Methoden steht ist etwas ausgefeilter als das, was du da kolportierst .
Sie ist bisweilen auch sehr restriktiver (in ihren Annahmen und Aussagen) und ja, das wird gerne mal von (höchstens mittelmäßigen...) Empirikern unterschlagen oder mitgedacht oder vorausgesetzt. Aber das heißt eben nicht, dass irgendeine einzelne Studie einen universalen Erklärungsanspruch hat und damit deine ganzen Kontexteinflüsse ignoriert oder negiert, wie du es hier teilweise vermittelst.




_______


Vielleicht merkt man es, aber deine weiteren Ausführungen bringen mich die letzten Tage fast zum Haare raufen -- es ist aber für mich recht schwer, den Stein des Anstoßes zu fixieren, weil deine Posts teilweise von Begriff zu Begriff, von Behauptung zu Behauptung springen!

Ein Beispiel dafür: "[...]weil man Freiheit oder Kontingenz (wenn man es technischer mag: Reziprozität; philosophischer: Dialektik) in menschlichen und sozialen Dingen mitdenken muß[...]"

Inwiefern bezeichnen die vier Begriffe in diesem Zusammenhang den gleichen Sachverhalt?!
1) "Freiheit" - als Wahlfreiheit des Verhaltens? Ist die moralische Aufladung des begriffes irgendein Hinweis, dass Freiheit zu Unberechenbarkeit in menschlichem Verhalten führt?! Natürlich gibt es trotz Freiheit (biologische, soziale) Zwänge und Strukturen, also kann man diese auch beschreiben (und erklären).
2) "Kontingenz" - hier kommen wir deinem Punkt (wie ich ihn verstehe zumindest) schon näher, bezeichnet er doch das prinzipielle "es könnte auch anders gelaufen sein" des menschlichen Verhaltens. Diese Potentialität ist aber allgegenwärtig und führt trotzdem nicht zum Zusammenbruch von sozialen Systemen [um mal im Systemtheoriesprech zu bleiben], schließlich gibt es genügend Anreize, um Anschlusskommunikation sicherzustellen -- oder bspw. gleichförmiges Verhalten anzuregen.
3) "Reziprozität" - was hat das "gegenseitige aufeinander bezogen sein" für einen Bezug zu deinem Argument?
4) "Dialektik" - Puh, dieser Begriff ist so schwammig und aufgeladen und diskutiert, was meinst du damit (hier) eigentlich genau? Wie führt er zur Unberrechenbarkeit (pun intended) menschlichen Verhaltens?

Bei sowas krieg ich 'nen Hals, ernsthaft. Ich versuche deine Beiträge zu verstehen und bleibe bei solchen Sätzen zwangsläufig hängen, weil sie nicht vollständig schlüssig sind.
[Dieser Beitrag wurde 3 mal editiert; zum letzten Mal von Smoking44* am 22.10.2014 17:52]
22.10.2014 17:46:54  Zum letzten Beitrag
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Der Menschenfreund

Arctic
Erstmal Sehr gute Beiträge über mir (von Poli, Smoking, catch fire).

 
Zitat von RushHour

Menschen und Gesellschaften sind zudem systemtheoretisch gesprochen "komplexe Maschinen" - sie können auf gleiche Inputs verschieden reagieren. Das ist ihr Wesen. Frösche, Stahlträger, Photonen und Proteine können das hingegen nicht. Zudem läßt sich sozialwissenschaftlich keine Laborsituation schaffen, aus der universell gültige Protokollsätze hervorgehen können, eben weil die Einbindung in gesellschaftliche Rahmenbedingungen beim Menschen nicht ausgeschaltet werden kann. Ohne Theorie der Gesamtgesellschaft weiß man aber nichts von den Einflußgrößen, mit denen man es zu tun haben könnte. Eine solche Theorie kann aber nicht an sich empirisch abgesichert werden, weil sich "das Ganze" eben nicht erforschen, sondern nur denken läßt.


Ich übersetze das etwas lapidar mit: "weil alles mit allem zusammenhängt, kann man keine isolierten Sachverhalte empirisch erforschen."

Wie kann man diese Zusammenhänge dann "denken"? Auch jedes hermeneutische Nachdenken erfordert die Konzentration auf bestimmte Sachverhalte. Auch jedes Nachdenken abstrahiert und isoliert. Es gibt keine "Theorie der Gesamtgesellschaft", welche die Reaktion des Menschen auf einen Reiz in jeder möglichen Umwelt gleichzeitig vorstellbar macht.

Ebenso wie man gedanklich bestimmte Situationen und Beobachtungen zerlegt, sie einzeln betrachtet und späterhin wieder zu einem Ganzen zusammenfügt, wird das auch in der empirischen Forschung gemacht. Nur verlässt man sich nicht auf die Kraft der Gedankenspiele, sondern stellt soziale Situationen tatsächlich in Laborexperimenten nach (in verschiedenen Varianten, um unterschiedliche Kontexte zu berücksichtigen) oder versucht anhand von Daten die vermuteten Zusammenhänge zu falsifizieren (endgültig beweisen lässt sich nichts, aber wenn die Daten nicht einmal vereinbar mit der Vermutung sind, ist man bereits einen Schritt weiter). Zudem versucht die Theoriebildung (unter anderem durch Formalisierung) möglichst explizit bezüglich der getroffenen Vereinfachungen, erwarteten Zusammenhänge und als konstant angenommenen Größen zu sein. Das ist der Hauptzweck mathematischer Modellbildung: Transparenz. Auch verbale Modelle treffen Annahmen, sie sind nur häufig versteckt und implizit.

Der von Smoking angesprochene methodologische Individualismus in der Tradition Max Webers widmet sich auch dem Problem der "komplexen Maschine Mensch" explizit. Man geht eben nicht von der "gesellschaftlichen Totalität" aus oder behauptet universelle Entwicklungsgesetze auf gesamtgesellschaftlicher Ebene, sondern rekonstruiert die konkreten Situationen, in denen sich die Menschen für Handlungen entscheiden müssen. Man überlegt sich, welchen Anreizen, Zwängen, Möglichkeiten die Menschen ausgesetzt sind. Die betrachteten Menschen können dabei ein verzerrtes Situationsverständnis haben, das von "objektiven" Gegebenheiten abweicht. Aber da das subjektive Verständnis reale Konsequenzen (in den Handlungen) hat, kann man durchaus prüfbare Hypothesen aus den Vermutungen ableiten.

Dabei hilft einem einerseits, dass die Menschen als angehörige der gleichen Spezies durchaus gewisse deutliche Verhaltenstendenzen zeigen, z.B. streben sie nach physischem Wohlbefinden und genießen soziale Anerkennung, andererseits dass sich viele Menschen jeden Tag mit ähnlichen Entscheidungssituationen konfrontiert sehen. Kind oder Beruf?
[Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert; zum letzten Mal von Der Menschenfreund am 22.10.2014 21:24]
22.10.2014 18:38:01  Zum letzten Beitrag
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Wraith of Seth

wraith_of_seth
Sowohl bei sprachdelles Einwänden als auch RHs habe ich immer das Gefühl, dass über statistische Modelle ziemliche Unkenntnis besteht.

Erstmal zu Emergenz: Wenn ein Physiker den Begriff in den Raum wirft, meint er vor allem Phänomene, die aus simplen einzelnen Bestandteilen etwas komplexeres schaffen. Das reicht von "Wir ham Spin, dann haben wir viel Spin und PUFF - fucking magnets!!!" (in der Tat auch nicht zur Gänze verstanden...peinlich/erstaunt) über "wir haben Wassermoleküle. Booooring. Wir haben viele. PUFF! Phasenübergänge!" (das ist schon besser verstanden) bis eben zu "wir haben ein Neuron. Booooring. Wir haben viele. PUFF! Braaaaaiiiiins...". Das PUFF! ist mal mehr, mal weniger verstanden. Aber nie völlig unverstanden. Wir wissen, womit wir sowas angehen können.

Auch Selbstbezüglichkeit ist erstmal kein grundsätzliches Problem. Meine Meinung ist allerdings etwas komplexer: Ich glaube, dass die Aussagen in dem Bereich erst dann sinnvoll funktionieren können, wenn man Sprache (und damit eben auch Ideen) besser versteht. Sowas in der Art geschieht in der Mathematik und führt dann zu echt abgespacetem Zeug, z.B. dem Gödelschen Unvollständigkeitssatz. Was mich immer wieder ein bisschen stört, ist die - haha - Selbstbezüglichkeit von Geisteswissenschaftlern. Ich glaube, auch wenn ich da keinen Finger drauf legen kann, weil mir formale Logik nie so recht gelingen will, dass man eine Menge mehr dazu sagen könnte, wenn man formale Systeme besser versteht und ab wann die seltsame Dinge tun. ECHT seltsame Sachen. Hofstadter scheint da was zu in GEB zu schreiben, allerdings bin ich da auch noch nicht wirklich weit. Das ist auch in dieser eher populär gehaltenen Schreibe noch nicht völlig simpel.
Nur erstmal die Selbstbezüglichkeit an sich als Widerspruch zu nutzen, halte ich für massiv zu kurz gegriffen.

Bei der ganzen Diskussion werden immer wieder rein/vor allem geisteswissenschaftliche Begriffsgebäude auf ein etwas in die Jahre gekommenes Verständnis von Physik/Determinismus geworfen. Beispiel Determinismus: Physiker haben keine Hemmungen, die Quantenmechanik deterministisch zu nennen, weil wir ihre Gesetze kennen. Aber schon da haben wir das, was RH nutzte, um zu behaupten mathematische Modelle könnten den Mensch oder die Gesellschaft nie ganz* erfassen: Das gleiche Experiment unter den gleichen Bedingungen wird unterschiedliche Resultate haben. Beim Doppelspalt geht das Teilchen mal links, mal rechts durch. Was genau interessiert aber nicht, weil das große Bild interessiert. Das Interferenzmuster wird immer gleich aussehen. Bei Einzelphotonenvarianten wird natürlich die Art jedes Mal anders sein, wie das Bild entsteht. Aber das Resultat wird immer mehr dem gleichen, was wir erwarten, kennen und vorhersehen.

Das gleiche eben bei "statistischer Mechanik", wie es sich so schön nennt.
Konkret hier:
 
Menschen und Gesellschaften sind zudem systemtheoretisch gesprochen "komplexe Maschinen" - sie können auf gleiche Inputs verschieden reagieren. Das ist ihr Wesen. Frösche, Stahlträger, Photonen und Proteine können das hingegen nicht.


Da passt wahrscheinlich kein einziges Beispiel! Frösche reagieren als Tiere bestimmt unterschiedlich auf einen bestimmten, aber gleichen Input unterschiedlich. Sicher gibt es mehr Inputs, wo sie gleich reagieren, aber ganz sicher nicht bei allen. Das wage ich als Nichtbiologe ohne Ahnung ganz felsenfest zu behaupten. Ich kann da aber gerne nachhaken.
Stahlträger werden erstmal als Stahlträger aufgefasst und immer gleich modelliert - wenn dann aber irgendwo ein doofer Fehler auftritt, der nach außen nicht sichtbar ist, reagiert der Stahlträger plötzlich auf den gleichen Input sehr anders. Alles eine Frage der Zahl der Stahlträger, die dem gleichen Input unterworfen werden. Denn schon hier ist "der Stahlträger" ein statistisches(!) System von einigen TeX: 10^{23+n} Teilchen. Der Träger ist quasi das emergente Verhalten vieler in diese Form gebrachter Einzelteile.
Photonen sind per se schonmal quantenmechanisch zu betrachten. Das führt zu ulkigsten Effekten. Der Doppelspalt mit einzelnen Photonen ist da ein megagutes Beispiel. Und Proteine... ...ich habe keine Ahnung, außer, dass QM auch da eine nicht zu verachtende Rolle spielt und damit bestimmt was zu finden ist.

Leider muss ich aber im Großen und Ganzen gestehen, dass mich sprachdelle abgeholt hat, weil mein Philozeug zu sehr begraben ist. Ich erinnere mich noch an die Begriff, kann ihm folgen, aber nicht auf seinem Niveau in seinen Fachbereich hinein antworten.

*) Das ist aber auch gar nicht der Anspruch der Modellbildung! Es sind Modelle, die eben in ihrem jeweiligen Gültigkeitsbereich gut funktionieren und idealerweise nicht nur modellieren, sondern eben auch überprüfbare Vorhersagen zulassen, anhand derer man das Modell verbessern oder in andere Bereiche ergänzen kann.

Nature and Nature’s Laws lay hid in Night: / God said, Let Newton be! and all was Light.
[Dieser Beitrag wurde 2 mal editiert; zum letzten Mal von Wraith of Seth am 22.10.2014 21:18]
22.10.2014 21:15:47  Zum letzten Beitrag
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Der Menschenfreund

Arctic
 
Zitat von sprachdelle

0) "Eigenschaften gibt es nicht." Ein reduktiver Physikalismus muss mit Notwendigkeit erklären können, wie sich ein emergenter Vorgang entwickelt. Das ist aber, definiert über den Begriff der "Emergenz", nicht möglich (Unvorhersagbarkeit, Irreduzibilität).


Das ist zirkulär.

 
1) Emergenz ist nicht mehr als ein Rumpelkammerbegriff für "Das können wir noch nicht erklären" und hilft damit niemandem weiter (Fußnote 1) - der Vorgang wird trivial, oder 2) so man an dem Vorgang der Emergenz festhalten möchte, man davon ausgehen muss, dass mentale Entitäten eben irreduzibel sind. Schlägt man den zweiten Weg ein, muss sich der Physikalist damit begnügen, viele Dinge erklären zu können, aber damit nicht die grundlegenden Entitäten der Ontologie gefunden haben. Denn jeder Mensch, der das hier liest und dem Gelesenen einen Sinn (im Sinne von Bedeutung der Wörter - nicht "Richtigkeit") zumisst, kann nicht im gleichen Atemzug verneinen, dass das nicht eine grundlegende Entität der Welt ist, weil der Mensch, der diese Bedeutung zuschreibt, 1) derjenige ist, der sich kritisieren möchte und 2) dieser Mensch mit dieser Kritik in dieser Welt ist, in der er gerne selber den Physikalismus verteidigen möchte. - Und zwar mit Hilfe von Bedeutung von Zeichen, Symbolen und Sätzen.


Definiere Emergenz.

 
1.2, gehört zu 1) Die Selbstwiderlegung des Intentionalen Vokabulars an sich. Nehmen wir an, dass gezeigt werden kann, dass der Physikalismus der Wahrheit entspricht. Die rationale Reaktion darauf müsste sein, dass man alle anderen Existenzbehauptungen "aufgibt", "ablehnt", "vermeidet" usw. Nun sind aber genau diese Begriffe Ausdruck von intentionalem Handeln eines Menschen. Sofern also intentionales Vokabular benötigt wird, um die Konsequenzen aus dem (als richtig gezeigten) Physikalismus zu ziehen, widerlegt er sich genau in diesem Moment selber, weil er das intentionale Vokabular in Anspruch nehmen muss.


Das verstehe ich nicht. Erkläre es bitte. Der Physikalismus hat doch kein Problem mit Intentionalität. Wille ist halt nur das Ergebnis eines biologischen Prozesses.

 
2) Das Problem der Qualia. Wenn wir, basierend auf den Erkenntnissen des (inzwischen als richtig erwiesenen Physikalismus) ein Gehirn öffnen, während wir ein Vanilleeis essen, kann man zwar ein physikalisches oder neurophysiologisches Korrelat an Aktionen von feuernden Neuronen beim Schmecken des Eis' erblicken. Was dem Wissenschaftler damit allerdings nicht gelingt, ist die Qualität des Erlebnisses für die einzelne Person einzufangen (wie das Vanilleeis schmeckt). (Dazu gibt es einen guten, kurzen Text: "Was es heißt, eine Fledermaus zu sein.")


Ich werde auch nie erfahren, ob außerhalb meines Bewusstseins irgendwer überhaupt etwas schmeckt. Vielleicht sitzen im Eiscafe nur Roboter. Frage: Welche metaphysische Theorie kann da helfen?

In diesem Fall ist es doch gar nicht Ziel des Wissenschaftlers das Erlebnis "einzufangen". Er will das Erlebnis kausal erklären, er will die Emergenz (so wie ich den Begriff verstehe) des Bewusstseins aus neuronaler Aktivität modellieren ...

Folgendes Gedankenspiel: Angenommen die Hirnforschung der Zukunft verkabelt zwei Menschen. Einer isst Eis, seine Hirnaktivität wird gemessen und in das Bewusstsein der anderen Person eingespeist. Diese erlebt nun etwas, das es ihr nachher ermöglicht, mit der anderen Person ein detailliertes Gespräch über die Erfahrung zu führen, sodass beide anschließend überzeugt sind, es gemeinsam erlebt zu haben. Die Beobachtungen dieses Experimentes sind reproduzierbar. Dann hätte man die Erfahrung des anderen "erlebbar" gemacht. Und diese Erlebbarmachung stände in keinerlei Widerspruch zum Physikalismus.

 
3) Der Universalienstreit (hier auch in Form eines performativen Selbstwiderspruchs), der, sofern der Physikalist die Position eines reinen Nominalismus vertritt (und die muss er mit Notwenidigkeit vertreten, sofern er ontologischer Physikalist ist, weil es dann eben nur Einzeldinge gibt), nicht erklären kann, wie Klassen, Types, Tropen existieren können. Da diese jedoch die Grundlage dafür sind, dass die Mathematik existieren kann (Mengenlehre), mit der die Theorie des Physikalisten einen Wahrheitsanspruch anmelden kann, widerlegt sie sich im Moment, in dem sie sich der Mathematik bedient, selbst.


Was widerspricht der These, dass Mathematik im Laufe der Jahrhunderte durch menschlichen Erfindergeist sowie Versuch und Irrtum entstanden ist? Es ist ein menschliches System zur Beschreibung von Regelmäßigkeiten, die in unserer Welt allenthalben zu beobachten sind. Sie ist kein ab initio existentes metaphysisches Muster, das vom Menschen freigelegt wird.

 
1) Ich denke, dass die Naturwissenschaften sozusagen "auf der richtigen Spur" sind. D.h., sie haben sich grad in ihrer Begriffswelt nicht so verrannt haben, wie der eine Typ, der kurz nach dem Mittelalter den "Äther" als das fundamentale Ding ins Spiel brachte. Ich bin überzeugt davon, dass die Theorien, die bisher existieren, richtig sind, weil sie super funktionieren. Dass diese menschliche Konstruktion richtig ist, erwächst aber nicht aus der Tatsache, dass sie Wahrheit abbildet, sondern, dass sie funktioniert, d.i. für uns von Nutzen ist.


Ausgezeichnet. Du bist auf dem besten Wege, kritischer Rationalist zu werden.

 
2) Möchten wir daran festhalten, dass unsere menschliche Qualia (als das "Erleben des Mensch-Seins", z.B. auch während des Forschens) des einzelnen menschlichen Individuum einen höheren Stellenwert, als die ontologische Korrektheit der Physik hat, müssen (nicht weil wir wollen, sondern weil es mit Notwendigkeit impliziert ist) wir davon ausgehen, dass selbst auf der elementarsten Ebene von Existenz (im metaphysischen Sinn), so etwas wie Geist anzutreffen sein muss. Sonst verstehen wir (jeder für sich, die Menschen untereinander, die Menschheit als zusammengefasstes Objekt) uns einfach selber nicht mehr. Wir könnten uns nicht mehr begreifen.


Daran verstehe ich nichts, gar nichts.

Welche Bereicherung stellen denn metaphysische Theorien dar? Welche Funktion erfüllt die Bezugnahme auf einen "Geist"?
[Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert; zum letzten Mal von Der Menschenfreund am 22.10.2014 23:00]
22.10.2014 22:30:10  Zum letzten Beitrag
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Wraith of Seth

wraith_of_seth
 
Zitat von Der Menschenfreund

 
3) Der Universalienstreit (hier auch in Form eines performativen Selbstwiderspruchs), der, sofern der Physikalist die Position eines reinen Nominalismus vertritt (und die muss er mit Notwenidigkeit vertreten, sofern er ontologischer Physikalist ist, weil es dann eben nur Einzeldinge gibt), nicht erklären kann, wie Klassen, Types, Tropen existieren können. Da diese jedoch die Grundlage dafür sind, dass die Mathematik existieren kann (Mengenlehre), mit der die Theorie des Physikalisten einen Wahrheitsanspruch anmelden kann, widerlegt sie sich im Moment, in dem sie sich der Mathematik bedient, selbst.


Was widerspricht der These, dass Mathematik im Laufe der Jahrhunderte durch menschlichen Erfindergeist sowie Versuch und Irrtum entstanden ist? Es ist ein menschliches System zur Beschreibung von Regelmäßigkeiten, die in unserer Welt allenthalben zu beobachten sind. Sie ist kein ab initio existentes metaphysisches Muster, das vom Menschen freigelegt wird.


Hm. Ich weiß nicht. Die Mathematik ist irgendwie in meinen Augen tatsächlich das greifbarste Beispiel, warum Metaphysik interessant ist. Die Regeln der Mathematik alleine benötigen in keinster Weise einen Erfinder, eine Niederschrift oder eine Beobachtung. Sicher - die Beobachtung liefert erst die Idee, sich damit zu beschäftigen, aber das ändert nichts an dem, was entdeckt wird.

Die Physik ist da schon anders, weil ohne die Beobachtung nichts (mathematisch) zu modellieren wäre.

SCIENCE - If you ain't pissin' people off, you ain't doin' it right.
22.10.2014 22:42:41  Zum letzten Beitrag
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Der Menschenfreund

Arctic
Ich gestehe da auch ein, dass ich wenig Ahnung von der Philosophie der Mathematik habe, aber finde es auf den ersten Blick nicht unplausibel anzunehmen, dass, metaphysisch gesehen, der Unterschied zwischen der Mathematik und einer Werkzeugkiste trivial ist.
22.10.2014 22:53:04  Zum letzten Beitrag
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Wraith of Seth

wraith_of_seth
Der Punkt ist vielleicht am einfachsten zu illustrieren mit der Diskussion über Konstruktivismus in der Mathematik. Damit ist gemeint, dass man (z.B.) indirekte Existenz(beweise) vermeidet und stattdessen existente Objekte immer auch konstruierbar sein sollen. (Beispielsweise ist die Zahl pi konstruierbar als Hälfte des Umkreises des Einheitskreises. Zahlen aus dem überabzählbaren Bestandteil von TeX: \mathbb{R} sind im Allgemeinen aber... ..."kompliziert".) Das doofe: Damit sind viele tolle Sachen weg. Z.B. die zueinander äquivalenten Sachen "Zornsches Lemma", "Auswahlaxiom", "Satz von Tychonoff" und mehr. Im "Mehr" ist auch "Jeder Vektorraum hat eine Basis". Das ist TOLL(tm). Du kannst einfach hingehen und sagen: Das Ding, was ich untersuche, ist ein Vektorraum, also hat es eine Basis. Egal, wie unfassbar unendlich und unzählbar das untersuchte Ding ist... Basen sind toll, das sollte man noch aus der Schulmathematik mitgenommen haben (auch wenn man da wohl meist nur Basen für die Ebene und den 3D-Raum kennenlernt).

Wenn man das Auswahlaxiom dazu nimmt (oder was Äquivalentes), funktioniert dein Axiomensystem (das, was die Mathematik letztlich immer ausmacht) immer noch einwandfrei. Aber... ...du bekommst echt merkwürdige Ergebnisse. Z.B. das Banach-Tarski-Paradox. Nimm eine Kugel, mache eine Zerlegung (man weiß dank Auswahlaxiom, dass es diese geben muss), füge die Teile neu zusammen - habe ZWEI Kugeln vom gleichen Radius und ohne Löcher. Weeeeee...! Hallo, Anschauung, nett, dich gekannt zu haben.

Funktioniert. Hat nur mit der "Realität" wenig bis nichts zu tun. Ich kenne nur die Einführung in den Krempel aus den Grundvorlesungen. Das heißt, ich weiß nicht, was die Philosophie der Mathematik damit heutzutage so treibt. In den 30ern hat diese zunehmende Axiomatisierung und deren Resultate einige Mathematiker in Deutschland so verrückt gemacht, dass die Deutsche Mathematik gegründet wurde. Um die Anschauung wieder in die Mathematik zu bringen.
Ähnlich wie die deutsche Physik glücklicherweise ein völliger Schuss in den Ofen.

Kurz: Du hast plötzlich ein System von logisch sinnvollen Regeln, die der Metaphysik in Anwendbarkeit in nichts nachstehen. Und ein Werkzeug ohne Anwendung ist irgendwie... ...kein Werkzeug, nech?



*)
Spoiler - markieren, um zu lesen:
"Insbesondere in der Analysis halten die meisten Mathematiker die Einschränkungen der konstruktiven Mathematik für unnötig und haben Ende des 20. Jahrhunderts die Analysis um etliche Gebiete erweitert, die nicht konstruktiv rekonstruierbar sind." Wunderbare Wortkombination.Breites Grinsen


SCIENCE - If you ain't pissin' people off, you ain't doin' it right.
[Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert; zum letzten Mal von Wraith of Seth am 22.10.2014 23:56]
22.10.2014 23:52:30  Zum letzten Beitrag
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 Thema: Geschichte & Politik XI ( événement, moyenne durée, longue durée )
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