Du bist nicht eingeloggt! Möglicherweise kannst du deswegen nicht alles sehen.
  (Noch kein mods.de-Account? / Passwort vergessen?)
Zur Übersichtsseite
Hallo anonymer User.
Bitte logge dich ein
oder registriere dich!
 Moderiert von: Irdorath, statixx, Teh Wizard of Aiz


 Thema: Das wird schon wieder! ( Ein Zivi kotzt sich aus )
[1] 2 3 4 nächste »
erste ungelesene Seite | letzter Beitrag 
ZweiDreiFüchse

Arctic
Ein Zivi kotzt sich aus
[Die Zeit Nr. 48 vom 25. November 1994]
Artikel von Jochen Temsch

Das wird schon wieder


Ich friste mein Dasein als Klischee. So ein richtiger Arschwischer bin ich geworden. Ich wechsle Windeln, salbe furunkulöse Rücken, spritze knochentiefe Wunden mit Desinfektionsmitteln aus, verbinde nässende Eiterbeulen, lasse mich ansabbern aus zahnlosen Mündern und anspeien mit Blut und den unverdauten Resten von Babynahrung. Ich betrete Räume voller Miasmen und fasse an, was die Sterbenden absondern. Ich arbeite an den Körperöffnungen der Menschen, ganz am Ende. Dort, wo der einzelne aufhört zu existieren, wo er sich langsam auflöst und zu einem übelriechenden Haufen welken Fleisches wird. Meine Patienten sind gelähmt, verkalkt, verkrebst, hirnschwündig, offen und fast schon tot.
Die Ärzte entlassen sie aus den Kliniken, damit sie zu Hause sterben können.
Einer hatte einen Leistenbruch. ER war mit seinen 85 Jahren geistig fit ins Krankenhaus eingeliefert worden. Die Narkose raubte ihm den Verstand. Wir holten ihn aus einem von oben bis unten verschissenen Bett. Seine Tochter war psychisch wie physisch am Ende und zitterte am ganzen Leib. Sie sagte, tagsüber sei er immer ganz ruhig und schlafe friedlich. Nachts dagegen stehe er auf, saufe Schnaps und stecke sich Zigarren an. In Wirklichkeit langt ihm das noch nicht, denn er kackt auch in seine Nachttischschubladen rein. Pissen tut er in den Schrank. Ich wunderte mich noch, warum der Boden im Schlafzimmer aus nackten Holzdielen besteht! Wie bei den Tieren – ist besser abzuwaschen als Teppich.
Wir zogen den Alten aus und steckten ihn in die Badewanne. Er besitzt noch nicht mal eine Zentralheizung, nur Kohleöfen. Der beißende Rauchgeruch im Badezimmer überdeckt den allgegenwärtigen apokalyptischen Gestank des Abtretens von dieser Welt wenigstens ein kleines bisschen. Aber der Leistenbruch! So was habe ich noch nie gesehen. Ich fragte mich schon, als der Mann noch seinen Schlafanzug trug: Was hat er denn an den Beinen? Seine Hose war so seltsam ausgebeult. Das waren seine Hoden!
Wir schrubbten und schmirgelten diesen schlaffen Körper mit unseren Waschlappen. Und die angetrocknete Kacke hing in jeder Pore fest, wollte einfach nicht von ihm heruntergehen. Nachher setzten wir den Alten auf einen Stuhl, kämmten ihn und machten ihm ein Fußbad. Jetzt kam die Feinarbeit. Ich kniete mich hin und zwängte meinen Zeigefinger in die engen Zwischenräume seiner rissigen, verwachsenen und brandigen Zehen – und pulte auch dort die Scheiße hervor. Vor zwei Tagen ist der Alte gestorben. Wir sind alle sehr zufrieden darüber.
Bei einem anderen Patienten verbinden wir jeden Tag zweimal das Steißbein. Es guckt halt raus am Ende der Wirbelsäule. Ich ziehe die Hautlappen mit Pinzetten auseinander, und meine Kollegin spritzt Wasserstoffsuperoxid in diesen feurig roten, eitrigen Schlund. Wenn das Wasserstoffsuperoxid auf die Wunde trifft, schäumt es und knallt leise – wie Brause.
Ja, der Ekel. Man gewöhnt sich hoffentlich. Ich zwang mich von Anfang an hinzugucken, hinzufassen – und meine Vorgesetzten zwangen mich dazu. Ich bin Befehlsempfänger und kann selbst mit Gefängnis bestraft werden, wenn ich mich den Befehlen verweigere. Man gewöhnt sich, dann ist es wie putzen gehen.
Mein erster Tag als Zivildienstleistender: Die Oberpflegerin holte mich ab. Ich sah sie zum ersten Mal. Sie ist klein und gedrungen, hat wurstige Arme und einen Kopf wie eine Bulldogge, mit einer faltigen Speckschicht unter dem eigentlichen Kinn. Durch ein Kassengestell von der Brille schaut sie einen stets erstaunt und angewidert, ja fast mitleidig an. Wie ein Wachhund, der den Eindringling zuerst mustert, bevor er ihm an die Gurgel springt. Ich habe mir deshalb abgewöhnt, ihr ins Gesicht zu sehen, wenn wir reden. Sie hat einen Humor wie eine rostige Hundekette – ich meine, sie hat überhaupt keinen.
Mich hasst sie. Ich sage „Hallo“, stelle mich vor und machen einen auf kollegial, lache sie an und bin ganz aufgeschlossen. Immerhin ist sie diejenige, die mich einlernt, bevor ich alleine auf Tour gehen muss.
„Ihr Dienst dauert fünfzehn Monate. Ich muss noch ein paar Jährchen länger arbeiten, bevor die Rente fällig ist. Ich hoffe, Sie wissen, was das heißt. Sie werden mich sehr stark entlasten.“ Damit fährt sie mir gleich über den Mund und stellt klar, dass sie keine Lust hat, verbal mehr als die dienstliche Notdurft an mir zu verrichten. Sie trägt die Last der Leiden der Welt auf ihren Schultern – und nachts weiß sie nicht mehr, wie sie ihr kaputtes Kreuz lagern soll, weil sie vor Schmerzen schier umkommt.
Leider muss ich mit ihr leben, denn sie lernt mich nicht nur an, sondern schreibt auch die Dienstpläne. Sie gewährt mir Urlaub und bestimmt darüber, wie hart die Fälle sind, die ich alleine zu betreuen haben werden.
„Wie läuft’ s denn ab heute?“ frage ich. Sie wird schon wieder bissig: „Wie soll’ s ablaufen? Wir klappern die Menschen ab! Das ist an Ihrem ersten Tag so, und das wird an Ihrem letzten Tag so sein!“ Okay, ich bin hier die billige Arbeitskraft, der letzte Dreck, der Schuhabstreifer, ein Nichts. Ich beschließe, dass meine Oberpflegerin fortan nur noch Zerberus heißt.
Wir betreten ein ungelüftetes Zimmer voller Kitsch und Nippes und hässlicher Kinderphotos. „Sind das Ihre Enkel, die sind ja süß...“ Der Fußboden knarrt, die Standuhr tickt. Sie geht zwei Stunden nach. Ein Ehepaar ist zu versorgen. Die Frau hat offene Beine.
Es sieht aus wie eine Mischung zwischen Verbrennung und Lepra. Der Mann ist blind.
Er fragt, ob ich Deutsch sei. „Ja.“ – „Gut, Ausländer sind Geschwärl für mich, das kann ich Ihnen gleich sagen“, sagt er todernst. Zerberus knurrt: „ Jaja, aber wenn einer unserer ausländischen Krankenpfleger kommt, dann sind Sie auch froh, oder?“ – „Ich kann mir diese Pfleger ja leider nicht aussuchen!“ schnauzt der Blinde zurück. Grinsend schiebt er sein Unterhemd hoch und feixt: „ Haben Sie so was schon mal gesehen?“ An seinem bleichen Wanst hängt ein mokkabrauner Plastikbeutel. Der Alte langt immer wieder hin und drückt den matschigen Inhalt mit den Fingern zusammen. Das erzeugt ein schmatzendes Geräusch, das mich an Grütze erinnert, in der man mit einem Löffel rührt. „Das ist ein künstlicher Darmausgang“, triumphiert er. Er schaut dabei genau in meine Richtung. Mein Herz beginnt zu rasen.
Zerberus entfernt ein quadratisches Pflaster – und schon hält sie den Beutel in der Hand. Ich zwinge mich, das Stück Darm anzugucken, das ganz runzlig, blutig, feucht und zuckend aus der Bauchdecke wächst. Man nennt dieses Stück heraushängenden Darmes Anus – das heißt soviel wie Arschloch, nur auf lateinisch. Zerberus nimmt eine Schablone und schneidet ein neues quadratisches Pflaster zurecht, um einen neuen Beutel an dem Mann zu befestigen. Da rieche ich es: Langsam verbreitet sich ein Gesatank im Wohnzimmer! Ein Gestank! Wie nach einer geplatzten Pestbeule! Wie nach einem offenen Grab! Es stinkt direkt aus dem Darm heraus, entströmt geradewegs dem tiefsten Innern fauliger Eingeweide.
Zerberus guckt mich neugierig an. Ich verziehe keine Miene. Dann ruft der Alte ganz freudig überrascht: „Ha! Da kommt ja noch was raus!“ Jetzt bricht meine Panik voll aus: „Oh, nein, oh, nein, oh, nein, oh, nein.“ Zerberus eilt zu ihm: „Drücken Sie! Drücken Sie! Ja! So, dass alles rauskommt!“ Ich will tot umfallen. Und der drückt. Zerberus hält ein Taschentuch unter das, was aus diesem hinfälligen Körper heraus will, und massiert ihn gleichzeitig, um ihm noch mehr zu entlocken. Der Gestank steckt in sämtlichen Fasern meiner Kleidung, er hat sich in meinen Haaren festgesetzt und haftet auf meiner Haut. Zu Hause ziehe ich mich schon im Flur aus, werfe die Klamotten in die Wäschetonne und steige sofort unter die Dusche. Ich lasse das Wasser stundenlang an mir herabrinnen und parfümiere mich anschließend sehr stark ein. Aber es hilft alles nichts. Der Gestank hängt mir stets in der Nase. Er schleicht sich aus meinem Gedächtnis, das ich nicht abwaschen kann. Ja, man hat auch für Gerüche eine Erinnerung.
Bei manchen Patienten schreien wir schon an der Eingangstür: „Guten Morgen!“ Kommt keine Reaktion, machen wir uns auf den Tod gefasst. Einer dieser Patienten ist achtzig Jahre alt. Er liegt jeden Morgen bis über beide Ohren unter seiner Bettdecke und weigert sich aufzustehen. Wenn wir kommen, muss er raus. Zerberus widerspricht man nicht. Wenn wir gehen, legt er sich wieder rein und zieht sich die Decke über den Kopf.
Seine Beine sind angeschwollen wie die eines Elefanten. Dagegen bekommt er Wassertabletten. Auf Wassertabletten muss man immerfort pinkeln. Dieser Patient macht gleich ins Bett. Die Lebensgefährtin ist ihm vor einem halben Jahr weggestorben. Seitdem bekommt der Mann auch Saroten. Zerberus sagt: „Das ist, damit man nicht mehr soviel weinen muss.“
In der Nacht zuvor hatte er Durchfall. Zerberus kniet sich in, um ihm die Hosen herunterzuziehen. Sie kniet sich in Scheiße. Der Mann ha vergangene Nacht neben die Kloschüssel gemacht. Zerberus merkt es erst, als sie wieder aufsteht. Sie verzieht ihr Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen, sagt aber nichts. Was sollte sie auch sagen? Wir stellen den Alten auf. Er hält sich zittrig am Waschbeckenrand fest. Sein Körper ist ein Skelett, mit dünnem, fleckigen Pergament überzogen. Sein Mund ist eine schwarze Höhle, immer für Jammerlaute geöffnet, zahnlos bis auf zwei Goldstifte im Unterkiefer.
14.09.2003 15:55:48  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
ZweiDreiFüchse

Arctic
„Au-au-au-au-au ... au-au-au-au-au-au. » So geht es ohne Pause. Wie aus einem Kanaldeckel steigen namenlose Magengerüche aus diesem Mund empor. Ich kann ihnen nicht entgehen, weil ich den Alten rasieren muss. Das ist nicht leicht. Die lappige Haut am Hals ist so schlaff wie bei einer Echse und lässt sich kaum schaben. Der Mann weint. Er stammelt: „Is’ doch kein Leben.“ Er will Rasierklingen von uns haben oder wenigstens einen Strick. Zerberus sagt: „Er hat Rasierklingen, und er könnte sich sehr leicht umbringen, wenn er nur wollte. Das tut er aber nicht. Er braucht das Gerede.“ Dann schreit sie ihm ins Ohr: „Das wird schon wieder werden.“ – „Ich mag nicht mehr leben“, erwidert der Alte. „Na, na, na, na! Sie dürfen dem lieben Herrgott doch nicht in sein Handwerk pfuschen!”
Ein anderer liegt den ganzen Tag in einen Bademantel gewickelt auf seiner Couch und liest die Bild-Zeitung. Das heißt, er schaut sich die blanken Brüste an. Er stinkt bestialisch ungewaschen und sträubt sich mit Haut und Haaren gegen Wasser. „Du Depp!“ schreit der Alte, während ich ihn wasche. Ich denke: „Ganz ruhig, Junge! Der weiß doch nicht mehr, was er sagt. Sei ihm nicht böse. Er meint es im Grunde genommen nicht so!“ Vergeblich. Ich schreie zurück: „Selber Depp!“
Ich könnte ihn mit bloßen Händen erwürgen! Ich entscheide mich aber für subtilere Rachemethoden. Normalerweise benutzen wir immer zwei Waschlappen – einen hellen für Gesicht und Oberkörper, einen dunklen für Beine und Genitalien. Er allerdings bekommt von mir nur den dunklen Waschlappen, für Arsch und Gesicht, für sein Arschgesicht. Doch damit nicht genug! Wenn ich einen netten Patienten mit Franzbranntwein abreiben will, dann kündige ich das vorher mit einem mitleidigen, kindgerechten Ton an: „Vorsicht, jetzt wird es gleich eiskalt, bitte nicht erschrecken!“ Nicht so bei diesem renitenten Alten. Nein, ich schütte ihm das Zeug einfach drüber, total überraschen d und soviel wie möglich.
Mein ist die Rache! Di kleinen Boshaftigkeiten entschädigen mich für mein angeschlagenes Nervenkostüm. Schließlich benutzen einen die Alten als Ventil für ihre Leiden. Das hält man auf Dauer nicht aus. Zur Zeit gehe ich mit einem 98 Jahre alten Mann spazieren. Manchmal wird ihm schwarz vor Augen, dann schwankt er, dann rempelt er mich lachend an, wie ein Kumpel. Es ist leider nicht zum Lachen. Ich muss ihn zehn Minuten lang gegen einen Baum oder eine Straßenlaterne lehnen, bevor er wider gehen kann. „Sagen Sie nichts meiner Schwiegertochter“, bittet er mich. „Keine Angst, es bleibt alles unter uns!“ verspreche ich.
Die Schwiegertochter gängelt ihn sehr. Pausenlos fährt sie ihn an: „Setz deine Mütze auf! Heb deine Beine beim Laufen! Lass den Mantel zu! Tret dir ja die Füße ab, wenn du heimkommst!“ und so weiter und so fort. Er vermachte ihr sein ganzes Vermögen – dafür bevormundet sie den Alten jetzt und fühlt sich genervt von ihm.
Der Alte fragt: „Was wollten Sie noch von mir lernen?“ und labert, ohne eine Antwort abzuwarten, drauflos wie ein Wasserfall. Dann versinkt die Welt um ihn herum. Nur Kinder, Kinder bemerkt er. „Is’ das `n Kind?“ fragt er vorfreudig lächelnd, wenn er eines zu sehen glaubt. Die entsetzten Mütter aber ziehen ihre Buben und Mädchen sofort von ihm weg, bevor er ihnen womöglich noch über den Kopf streicheln kann.
Er grüßt alle Passanten und Straßenlaternen und Mülltonnen, die er für Passanten hält, mit einem saloppen „Tach“. Er erzählt jedes Mal, dass es seinerzeit Sitte war, jeden zu grüßen, der einem über den Weg lief. Natürlich bekommt er nie einen Gruß zurück – von Passanten genauso wenig wie von Straßenlaternen oder Mülltonnen. Ich sage so laut es geht: „Jaja, das Grüßen ist heute leider aus der Mode gekommen. Die Menschen werden immer unmöglicher!“ Dann dreht man sich nach uns um. Wenn Blicke töten könnten!
Die Medizin hat die Lebenserwartung verlängert. Doch es ist keine allzu große Erwartung, die man an so ein verlängertes Leben stellen kann. Denn man wird krank an diesem langen Leben, stinkig, offen und eitrig. In den Kliniken ist der Tod ein Betriebsunfall. Und schon jetzt gibt es keine Pflegeplätze mehr. Die Armut, in der die meisten mit ihren unverschämt niedrigen Renten leben, schreit nach Gerechtigkeit! Sie bekommen Medikamente und vergehen erst, nachdem sie sich selber viel zu lange überlebt haben. Das macht mich krank. Aber unsere Generation besteht nur aus Plastik, Konsum und Karrieredenken. Die einzigen Werte sind gut aussehen und Spaß haben. Dann stehe ich in einer Yuppie-Kneipe, inmitten von frischgefönter Geschwätzigkeit. Irgendwann fragt mich einer: „Und was machst du so?“ Ich sage es ihm. Er schaut mich an und grinst: „Ach so!“
Eine Woche lang habe ich Frau H., meine Krebspatientin, nun nicht mehr besucht. Als ich heute ihre Bettdecke zurückschlage, trete ich vor Schreck einen Schritt zurück und remple dabei ihre Tochter an, die tränenüberströmt die Hände ringt: Frau H. ist von oben bis unten voller Stuhlgang!
Frau H.s Haut ist völlig gelb und runzlig. Beide Fesseln sind mit Bandagen umwickelt. Das Desinfektionsmittel macht sie widerlich fleckig. Frau H.s Pi ist flachgedrückt vom ewigen Liegen und voller Falten, aus denen Exkremente quellen. Unfassbar ist für mich, wie enorm sie abgemagert ist. Ihre Bauchdecke ist bis auf die Wirbelsäule eingesunken. Die Frau ist nur noch gespannte Haut und beinahe hindurchplatzende Knochen. Sie scheint sogar zum Stöhnen zu schwach. Es hilft alles nichts mehr. Sie schaut mich mit geweiteten Augen an. Normalerweise freute sie mein Anblick immer – heute erkennt sie mich nicht einmal. Ich blicke in einen Totenschädel. Ihre Augen sind farbloser als sonst. Dann verdreht sie die Augen, ich sehe nur noch das Weiße. Und – sie hat sich den Kot auch ins Gesicht geschmiert. Sie muss schon eine Weile so liegen, denn unter ihren Fingernägeln ist er bereits angetrocknet. Wir hieven sie in die Wanne. Ich schrubbe sie mit dem Waschlappen, ohne Handschuhe, weil ich keine Zeit zum Anziehen hatte. Ihr Tochter weint: „Sie hat so was noch nie gemacht. Ihren Lebtag lang war sie ein Putzteufel. Sie konnte kein Stäubchen sehen. Dass sie jetzt sogar...Scheiße anfasst, begreife ich nicht.“
Wir müssten eigentlich von Raben umschwirrt sein oder von Assgeiern, denke ich manchmal. Unser Besuch heißt: Du bist kranke, und es will dich keiner haben – und du wirst bald sterben!
Unvergesslich wird mir bleiben, wie mich meine Nachbarin auf einem Wohltätigkeitsbasar ihren Bekannten vorstellte: „Dieser junge Mann wohnt neben uns. Er ist Zivi. Der kommt zu euch, wenn ihr nicht mehr richtig könnt.“ Eine Endfünfzigerin mit fettglänzenden, vom Wein geröteten Schweinebacken lachte laut auf: „Ja, der junge Mann kann von mir aus gleich kommen und mir bei der Hausarbeit helfen. Es gibt noch so viel zu spülen und zu waschen!“ Der Rest der Gesellschaft amüsierte sich königlich über diese originelle Bemerkung. Ich grinste verschlagen und dachte: „Ich krieg dich!“
Heute begleitete mich Zerberus zu Frau H. Die Tochter der Alten empfängt uns nervös lächelnd: „Guten Morgen! Ich bin richtig froh. Meine Mutter schläft noch tief und fest. Vielleicht wird es wieder?“ Ich stutze, weil Zerberus auf der Schwelle zum Schlafzimmer halt macht. „Moment, ich bin gleich wieder zurück. Das hier ist mehr als Tiefschlaf!“ sagt sie und rennte davon. Sie holt ein Blutdruckmessgerät aus dem Wagen. Ich streichle derweil Frau H.s Wangen. „Hallo, Frau H.! Wir kommen, um Sie zu waschen!“ Keine Reaktion.
Zerberus misst den Blutdruck und fragt mich: „Möchten Sie auch mal?“ Das Stethoskop im Ohr, pumpe ich die Manschette auf. Sie ist dreimal um den Knochen gewickelt, der einst ein Oberarm war. Bei der Ziffer 220 beginne ich mit dem Luftablassen. Ich höre nichts. 180 – immer noch kein Pochen. 150, 130, 100, 80, 70, nichts, nichts, nichts. Zerberus berührt mich sanft an der Schulter. „Bemühen Sie sich nicht – der Blutdruck ist nicht mehr zu hören.“ Mir wird schlecht.
Wir waschen und verbinden Frau H. Sie stöhnt nur einmal kurz auf. Frau H.s Fersen sind pechschwarz, ihre Waden sind dunkelblau. Füße und Hände fühlen sich eiskalt an. Zerberus flüstert: „Die Blutzirkulation zentralisiert sich.“ Das heißt: Der Kreislauf versorgt nur noch die lebensnotwendigen Organe.
Frau H. junior zieht mich in die Besenkammer und flüstert: „Haben Sie es sich überlegt mit den Möbeln? Können Sie was brauchen?“ Ich sage: „Ja, den Nierentisch.“ – „Wollen Sie nicht auch dieses Sofa? Das lässt sich ausziehen. Und die Matratzen sind Markenware.“
Sie ist jetzt wie ein Handlungsreisender. Dann drückt sie mir hundert Mark in die Hand. Ich will das nicht annehmen. Sie sagt mit einem stolzen Lächeln: „Ich kann Ihnen gar nicht genug geben für all das Gute, das Sie an meiner Mutter tun!“ Zerberus gibt Frau H. senior noch höchstens zwei Tage.


[Jochen Temsch, 23 Jahre alt, leistete bis Ende 1994 seinen Zivildienst als ambulanter Altenpfleger in einer westdeutschen Großstadt.]
14.09.2003 15:57:43  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
ZweiDreiFüchse

Arctic
So, gelesen?
Diesen Text diskutierten wir in einer Gruppe auf einem Zivilehrgang diese Woche. Die Meinungen gingen dabei durchaus auseinander, gerade was die Würde betrifft.
Und ihr? Was meint ihr, könnt ihr euch identifizieren, sind hier überhaupt Zivis (neben mir)?

(Ich bin übrigens nicht Jochen Temsch.
Könnte ja sein, dass das jemand missversteht.)
14.09.2003 15:59:30  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
TopGun*

topgun
ok ich bin ja schon ruhig
[Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert; zum letzten Mal von TopGun* am 14.09.2003 16:00]
14.09.2003 15:59:40  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
Flashhead

AUP Flashhead 23.11.2020
missmutig gucken
 
Zitat von TopGun* []
ok ich bin ja schon ruhig

[Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert; zum letzten Mal von Flashhead am 14.09.2003 16:02]
14.09.2003 16:01:24  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
do_0d

Phoenix
Ich bin schon beim Titel eingeschlafen, als ich dann noch "diskutierten" hörte habs ichs aufgegeben. Ich mach lieber Bundeswehr.
14.09.2003 16:02:11  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
ZweiDreiFüchse

Arctic
Das WARUM steht im dritten Post.
Und ja, du siehst das richtig, ich stell den Text erstmal hier rein, ohne selbst etwas dazu zu sagen.
Das kommt schon noch.
14.09.2003 16:03:11  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
[TiE]Deathmarine

[TiE]Deathmarine
is schon ziemlich heftig was man da lesen darf...
da überlegt man sich zivi 2x wenn sowas auf einen zukommt

PS: hast du zweimal geöffnet?
14.09.2003 16:05:59  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
ZweiDreiFüchse

Arctic
Ja, ich hab versehentlich zweimal geöffnet.

Jedenfalls:
Das Zivildienstfeld beschränkt sich nicht allein auf Altenpfelge, aber ich glaube, das ist das schlimmste, was man im Zivibereich machen kann.
Ich selbst arbeite in einem Behindertenwohnheim und bin für Pflege und Betreuung zuständig.
Das heißt, man hat dort Menschen, die entweder körperlich oder geistig, oder auch auf beide Arten zusammen behindert sind. Manche mehr, manche weniger. Viele müssen gewaschen werden. Der Toilettengang funktioniert auch nicht bei allen von selbst und so mancher scheißt seine Windeln, bzw. sein Bett voll und spielt mit dem Zeug. Das ist nicht grad appetitlich, aber was ich mache ist noch sehr sehr dankbar gegenüber dem, was im obigen Text beschrieben ist. Also, alle Achtung.

Was das eigentliche Diskussionsthema betrifft, kann ich nicht sagen, dass dieser Jochen einen an der Klatsche hat.
Das meinten aber einige auf dem Seminar. Er könne das nicht so schreiben, weil er damit respektlos den Alten gegenüber ist. Ich finde aber, alles andere wäre heuchlerisch, weil das, was er schreibt einfach ehrlich ist und der Realität entspricht. Weiterhin denke ich, dass er nicht umsonst derartig bildhafte verbale Ergüsse hat. Nein, nein, er baut seine Aussagen soweit auf, dass der Leser ein entsetzliches Bild vor Augen hat (besonders mal die, die immer sagen: "Die Zivis machen doch eh nischt.") und dann die Stelle mit dieser Frau auf dem Wohltätigkeitsbasar, die einen Witz reißt. Damit stellt der Jochen gekonnt dar, dass es doch etwas mehr mit dem Zivileben auf sich hat, als viele denken.
Die Zivis machen nämlich doch etwas. Ne ganze Menge. Und darum gehts.
14.09.2003 16:08:06  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
-=|RV|=-Polykarpov

-=|RV|=-Polykarpov
wie gut, dass ich bund mache
14.09.2003 16:08:21  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
[G]Tobit

tobit2
 
Zitat von ZweiDreiFüchse
Was meint ihr, könnt ihr euch identifizieren, sind hier überhaupt Zivis (neben mir)?



So schlimm wars bei mir nicht.

Der Text selbst geht ja doch schon fast in Richtung ISB. Das ist schon hart.
14.09.2003 16:09:21  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
therealmonty

therealmonty
Ich mache nächstes Jahr Zivi. Aber ich hab da zum Glück Bekannte bei einem Obdachlosen-Mittagstisch.

Zum Text: Ich könnte mir ehrlich gesagt überhaupt nicht vorstellen, da zu arbeiten. Ich weiss, es muss Leute geben, die sowas machen. Aber momentan könnte ich das überhaupt nicht.
14.09.2003 16:09:30  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
ZweiDreiFüchse

Arctic
 
Zitat von -=|RV|=-Polykarpov
wie gut, dass ich bund mache



Als ob das oben beschriebene alle Zivimöglichkeiten ausdrücken würde.
Man kann als Zivi auch gern was anderes machen.
Und alles ist besser, als Töten zu lernen.
14.09.2003 16:10:32  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
[G]Tobit

tobit2
 
Zitat von ZweiDreiFüchse
aber ich glaube, das ist das schlimmste, was man im Zivibereich machen kann.



Ich glaube, individuelle Schwerstbehinderten Betreuung ist nicht viel besser.
14.09.2003 16:10:47  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
-=|RV|=-Polykarpov

-=|RV|=-Polykarpov
 
Zitat von ZweiDreiFüchse
 
Zitat von -=|RV|=-Polykarpov
wie gut, dass ich bund mache



Als ob das oben beschriebene alle Zivimöglichkeiten ausdrücken würde.
Man kann als Zivi auch gern was anderes machen.
Und alles ist besser, als Töten zu lernen.



als ob ich jemals einsetzen würde, was ich beim bund zum thema töten lerne
14.09.2003 16:12:20  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
ZweiDreiFüchse

Arctic
 
Zitat von -=|RV|=-Polykarpov
 
Zitat von ZweiDreiFüchse
 
Zitat von -=|RV|=-Polykarpov
wie gut, dass ich bund mache



Als ob das oben beschriebene alle Zivimöglichkeiten ausdrücken würde.
Man kann als Zivi auch gern was anderes machen.
Und alles ist besser, als Töten zu lernen.



als ob ich jemals einsetzen würde, was ich beim bund zum thema töten lerne




Im Ernstfall Augenzwinkern
14.09.2003 16:13:47  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
therealmonty

therealmonty
 
Zitat von [G]Tobit

Ich glaube, individuelle Schwerstbehinderten Betreuung ist nicht viel besser.



Da weiss man aber, womit man es zu tun hat und man kennt die Leute.
Der Jochen Temsch lernte ja jeden Tag 20 neue Möglichkeiten kennen, das Leben zur Qual zu machen.
14.09.2003 16:14:40  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
-=|RV|=-Polykarpov

-=|RV|=-Polykarpov
 
Zitat von ZweiDreiFüchse
 
Zitat von -=|RV|=-Polykarpov
 
Zitat von ZweiDreiFüchse
 
Zitat von -=|RV|=-Polykarpov
wie gut, dass ich bund mache



Als ob das oben beschriebene alle Zivimöglichkeiten ausdrücken würde.
Man kann als Zivi auch gern was anderes machen.
Und alles ist besser, als Töten zu lernen.



als ob ich jemals einsetzen würde, was ich beim bund zum thema töten lerne




Im Ernstfall Augenzwinkern



naja, ich werde nur meinen wehrdienst beim bund ableisten, selbst wenn nach meiner dienstzeit die russen oder sonstwer angreift, können die mich nicht einziehen
14.09.2003 16:15:32  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
[G]Tobit

tobit2
 
Zitat von therealmonty
 
Zitat von [G]Tobit

Ich glaube, individuelle Schwerstbehinderten Betreuung ist nicht viel besser.



Da weiss man aber, womit man es zu tun hat und man kennt die Leute.
Der Jochen Temsch lernte ja jeden Tag 20 neue Möglichkeiten kennen, das Leben zur Qual zu machen.



Er hätte durchaus die Möglichkeit gehabt, die Stelle zu wechseln, wenn er sich psychisch nicht dazu in der Lage fühlt, die Tätigkeiten in diesem Maße weiterhin auszuüben.
14.09.2003 16:16:57  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
[G]Tobit

tobit2
 
Zitat von -=|RV|=-Polykarpov

naja, ich werde nur meinen wehrdienst beim bund ableisten, selbst wenn nach meiner dienstzeit die russen oder sonstwer angreift, können die mich nicht einziehen



Hm, ich überleg gerade, was mit Reservisten im Ernstfall gemacht wird, aber mir wills einfach nicht einfallen.
14.09.2003 16:17:56  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
[THC]DrogenDragan

drogendragan
Das ist der normale Arbeitsalltag meiner Mutter, Krankenschwester auf der Geriatrie.

Tja, der Text ist hart, aber es ist die Wahrheit. Der Junge hat das Problem, dass seine Wahrnehmung zu gut ist und er damit den ganzen Scheiß mitbekommt. Meine Mutter hat Zugang zum Morphium.
Zuckerbrot und Peitsche.
Schade finde ich allerdings, dass er fies wird und dem Bildzeitungsleser Schaden zufügt. Irgendwie arm, wobei es auch wirklich schwer ist, sich bei sowas zu beherrschen.
14.09.2003 16:19:26  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
-=|RV|=-Polykarpov

-=|RV|=-Polykarpov
 
Zitat von [G]Tobit
 
Zitat von -=|RV|=-Polykarpov

naja, ich werde nur meinen wehrdienst beim bund ableisten, selbst wenn nach meiner dienstzeit die russen oder sonstwer angreift, können die mich nicht einziehen



Hm, ich überleg gerade, was mit Reservisten im Ernstfall gemacht wird, aber mir wills einfach nicht einfallen.



ich bin doch kein reservist, wenn ich nur wehrdienst gemacht habe, ich bin dann ganz draussen
14.09.2003 16:19:54  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
Ludacris

Arctic Female
Ich wurde T3 gemustert und gehe morgen (ja, mogen geht der Vorkutrs los) direkt an die Uni.
Damit mache ich auch nebenbei das Jahr wieder wett, dass ich mit dem Wiederholen der 7. Klasse verloren habe.

Die Jungs aus meiner Stufe, die ihren Zivildienst ableisten, haben "einfachere" Aufgaben zu erledigen.
Das was dem Beschriebenen am nächsten kommt ist der Job, tumzufahrenm und den Alten das Essen und die Medikamente reinzuwürgen.
--> überhaupt kein Vergleich!

Ich glaube nicht, dass jeder Zivi sowas durchstehen würde.
14.09.2003 16:20:20  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
Coffeemaker*

Guerilla
Interessanter Text, wirklich.
14.09.2003 16:20:41  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
[G]Tobit

tobit2
 
Zitat von -=|RV|=-Polykarpov

ich bin doch kein reservist, wenn ich nur wehrdienst gemacht habe, ich bin dann ganz draussen



Sagt wer?

Nachdem du deinen Wehrdienst geleistet hast, gehörst du zur Reserve.

Du verwechselst das vielleicht mit Reservistenverbänden, in die musst du nicht eintreten.
14.09.2003 16:21:48  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
-[HoPe]Mephisto-

Arctic
Ich finde den text wirklich interessant.
Habt ihr von dem Skandal in dem österreichischen Altenheim gehört?
Der Name des Heims fällt mir gerade nicht ein, aber dort ging es dann soweit, dass sie die Patienten um 15:00 ins Bett geschickt und bis zu 2 Monaten nicht gewaschen haben...

Ob das jetzt an fehlendem Personal gelegen hat oder nicht, weiß ich nicht (hab das nicht so genau verfolgt), aber tobit hat Recht, wer so einen Beruf nicht "aushält" sollte sich möglichst etwas anderes suchen (wohl einfacher gesagt als es ist).
14.09.2003 16:26:34  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
TopGun*

topgun
verschmitzt lachen
 
Zitat von -[HoPe]Mephisto-
dass sie die Patienten um 15:00 ins Bett geschickt und bis zu 2 Monaten nicht gewaschen haben...



unerhört, die sollen sie gefälligst um 17 uhr ins bett schicken, wenn sie sie schon 2 monate net waschen!
14.09.2003 16:28:57  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
XeXano

xexano
Ich war Zivi im Altersheim, aber nicht Pflege, sondern Verpflegung/Hausmeistergehilfe... Essen verteilen, Wäsche und Müll raus, etc., und dazwischen alles was sonst so anfällt. Da war zwar auch manchmal einiges sehr unangenehme dabei, aber die wirkliche Pflege war zum Glück nicht mein Aufgabengebiet, ich fühlte mich manchmal schon leicht überfordert wenn ich mit einem Bewohner zum Arzt geschickt wurde, einfach als Begleitung, und auf dem Wg/im Wartezimmer etc. bekam dieser dann Probleme irgendwelcher Art (ich hatte ja keinerlei pflegerische Ausbildung, weil das ja eignetlich nciht mein Job war). Das war natürlich nichts gegen den im Artikel geschilderten Job und ähnliches, und ich habe eine Menge Respekt für diejenigen, die sich für solche Zivistellen entscheiden. Meiner Meinung nach übertreibt der gute es ein wenig beim Thema "Rache"... dass man öfters mal böse Gedanken hat ("Ach der alte sack kann mich doch mal kreuzweise, altes Arschloch" etc.) kommt vor, kenne ich gut, aber man hat ja immer noch eine Verantwortung und sollte sich nicht an den hilflosen Menschen abreagieren.
14.09.2003 16:29:20  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
Der Gottkaiser

gottkaiser
 
Zitat von [THC]DrogenDragan
Das ist der normale Arbeitsalltag meiner Mutter, Krankenschwester auf der Geriatrie.

Tja, der Text ist hart, aber es ist die Wahrheit. Der Junge hat das Problem, dass seine Wahrnehmung zu gut ist und er damit den ganzen Scheiß mitbekommt. Meine Mutter hat Zugang zum Morphium.
Zuckerbrot und Peitsche.
Schade finde ich allerdings, dass er fies wird und dem Bildzeitungsleser Schaden zufügt. Irgendwie arm, wobei es auch wirklich schwer ist, sich bei sowas zu beherrschen.



Ich habe meinen Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims gemacht. Und dort gab es auch so eine Person, deren Lebensinhalt darin bestand, Personal und Mitbewohner zu schikanieren oder gar tätlich anzugreifen. Dumm, wenn man selbst eine von zwei Personen ist, die sie duldet. Mal ganz davon abgesehen war es bei weitem nicht so hart wie der Job desjenigen, der den Text geschrieben hat, aber bei weitem auch kein Zuckerschlecken. Gute Kollegen und eine nette Praktikantin haben das ganze aber recht gut wieder ausgeglichen
14.09.2003 16:33:30  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
TemplaR_AGEnt

templar_agent
traurig gucken
Einfach beeindruckend, der Text... und sehr eindringlich geschrieben.

Ohne großartig die entestehenden Gedanken geordnet zu haben, ein paar Anstöße meinerseits:

- Solche Zivildienstleistenden verdienen 100mal mehr Respekt als alle, die den normalen Wehrdienst ableisten... von wegen "Drückeberger" und so - dazu noch Respekt vor den Karnkenschwestern, Altenpflegern, ehrenamtlichen Helfern.. das kann nicht jeder.

- Der Text zeigt auch die Mängel in der Pflege auf. Hoffnungslose Fälle werden einfach abgeschoben und "sterben einfach so vor sich hin"... in einer Spiegel-Reportage zum Thema wurde die Zahl an Hospizen genannt.... kA mehr, jedenfalls waren es nicht viele. Und zwischen dem Sterben im Krankenhaus und dem wirklich "betreuten" Sterben liegen Welten.

- Her mit der Sterbehilfe. Wenn sich jemand nicht mehr mit seinem Leiden quälen will, dann lasst ihn nicht weiter dahinvegetieren und setzt dem Leiden ein Ende.

- muss ich mir noch überlegen.
14.09.2003 16:44:49  Zum letzten Beitrag
[ zitieren ] [ pm ] [ diesen post melden ]
 Thema: Das wird schon wieder! ( Ein Zivi kotzt sich aus )
[1] 2 3 4 nächste »

mods.de - Forum » Public Offtopic » 

Hop to:  

| tech | impressum